Guatemala / Politik

Neuer Oberster Gerichtshof in Guatemala: Kontinuität oder Bruch mit der Korruption?

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Amtseinführung des neuen Obersten Gerichtshofs in Anwesenheit von Staatspräsident Arévalo (Bildmitte)
Amtseinführung des neuen Obersten Gerichtshofs in Anwesenheit von Staatspräsident Arévalo (Bildmitte)

Guatemala-Stadt. Die 13 neuen Richter des Obersten Gerichtshofs (CSJ) haben ihr Amt angetreten. Der Wahlprozess war wegen Korruptionsvorwürfen gegen die Justiz von Spannungen geprägt. Diese sei in den Händen der Mafias, so der progressive Staatspräsident Bernardo Arévalo. Demonstranten hatten immer wieder einen fairen und transparenten Wahlprozess gefordert.

Überraschenderweise fand die Wahl jedoch bereits in einer Parlamentssitzung am 3. Oktober statt. Ursprünglich hatte der Kongress bis zum 13. Oktober Zeit, die Richter zu ernennen. Von den 13 gewählten Richtern waren drei bereits im Amt.

Die einzeln gewählten Richter erhielten im 160-köpfigen Parlament zwischen 123 und 158 Stimmen, wobei die Opposition die Mehrheit der Abgeordneten stellt. Die Regierungspartei Movimiento Semilla hat nur 23 Abgeordnete im Parlament. Presseberichten zufolge wurden auch neun der 13 Richter mit den Stimmen von Semilla gewählt.

Die Reaktionen der kritischen Öffentlichkeit in Guatemala waren jedoch eher verhalten. Prensa Comunitaria schreibt in einer Analyse, die gewählten Richter stünden mehrheitlich Néster Vásquez Pimentel, dem Präsidenten des Verfassungsgerichts, und Estuardo Gálvez, dem ehemaligen Direktor der staatlichen Universität San Carlos, nahe. Beide stehen auf der so genannten "Engel-Liste", auf der die USA "undemokratische und korrupte Personen" aufführen.

Laut Ana María Méndez vom Washingtoner Büro für lateinamerikanische Angelegenheiten (Wola) gebe es "ein neues Gericht, aber keine Erneuerung". Es seien "die gleichen Akteure mit Verbindungen, einige zur Militärelite, was sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart Straflosigkeit mit sich bringt".

Eine Woche nach der Wahl der Richter des CSJ ernannte der Kongress die 156 Richter der Berufungsgerichte, die für die Überprüfung der gefällten Urteile zuständig sind und damit eine wichtige Rolle im Rechtssystem spielen. Medienberichten zufolge dominierten auch hier die Mitglieder der Partei Vamos des von den USA der Korruption beschuldigten Ex-Präsidenten Alejandro Giammattei. Vamos ist mit 39 Abgeordneten die stärkste Fraktion im Parlament.

Die Richter der Berufungsgerichte wurden am selben Tag wie die Richter des Obersten Gerichtshofs vereidigt. Für Aufsehen sorgte die Verhaftung des designierten Richters einer Berufungskammer, Ramiro José Muñoz Jordán, kurz vor seiner Amtseinführung. Muñoz Jordán war ehemaliger Direktor des Bürgerregisters beim Obersten Gerichtshof. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erfolgte die Verhaftung wegen Amtsanmaßung und anderer Delikte im Zusammenhang mit der "unrechtmäßigen Einschreibung" der Partei Prosperidad Ciudadana. Der Präsidentschaftskandidat von Prosperidad Ciudadana, Carlos Pineda Sosa, war von den Wahlen 2023 ausgeschlossen worden.

Der auf Antrag der Staatsanwaltschaft ausgestellte Haftbefehl wurde von Richter Jimi Bremer unterzeichnet. Auch er steht auf der "Engel-Liste" und gilt als Vertrauter der Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, die international als korrupt gilt und eine erbitterte Gegnerin des amtierenden Präsidenten Arévalo ist.

Die Justiz spielt eine wichtige Rolle im Netzwerk von Verbrechen und Straflosigkeit, das Politik und Staat in Guatemala durchzieht und als "Pakt der Korrupten" bekannt ist. Dieser Pakt stand bereits hinter der Entscheidung des Verfassungsgerichts im Jahr 2013, die Verurteilung von Efraín Ríos Montt zu 80 Jahren Haft wegen Völkermords aufzuheben.

"Das Urteil hat der Oligarchie und dem ganzen System aber einen großen Schrecken eingejagt, da diese bis dahin nur Straffreiheit kannten", erläuterte der Jurist 2022 in einem Interview. Daher setzten sie 2014 "in einem international stark kritisierten, manipulierten Wahlprozess ihre Kandidaten für Oberrichter und Obersten Gerichtshof durch".

In den folgenden Jahren setzte die Justiz die Verfolgung unabhängiger Juristen und Journalisten fort. Beobachter sahen das Land immer mehr in Richtung Autoritarismus und einer neuen Diktatur abgleiten. Der überraschend gewählte progressive Arévalo versuchte bisher vergeblich, Porras und andere korrupte Funktionäre der Generalstaatsanwaltschaft vorzeitig zu entlassen (amerika21 berichtete).