Haiti / Politik

Regierung in Haiti nach Bandenüberfall mit über 70 Toten in Alarmbereitschaft

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Haitis Premierminister Garry Conille ist auf der Suche nach internationaler Unterstützung für die Sicherheitskräfte
Haitis Premierminister Garry Conille ist auf der Suche nach internationaler Unterstützung für die Sicherheitskräfte

Port-au-Prince. Seit einem Überfall der Gran-Grif-Gang mit über 70 Toten steht Haiti unter Schock. Nach dem Massaker in Pont-Sondé, bei dem auch Kinder starben, und nach der Flucht von über 6.000 Einwohnern, sucht die haitianische Regierung nach weiterer Hilfe aus dem Ausland.

In der eskalierten Situation können die nationalen Polizeikräfte in der Stadt kaum Sicherheit schaffen. Deshalb hatte der UN-Sicherheitsrat in der letzten Woche einstimmig die von Kenia angeführte internationale Polizeimission verlängert (amerika21 berichtete).

Gepanzerte Fahrzeuge der nationalen Polizei und der Multinationalen Sicherheitsmission sind auf der Straße unterwegs, um Verstärkung in die betroffene Region zu bringen, die etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Port-au-Prince entfernt liegt.

Das Ministerium für öffentliche Gesundheit und Bevölkerungswesen erklärte: "Trotz der äußerst schwierigen Sicherheitslage haben die Opfer dieses Angriffs die Unterstützung der lokalen Institutionen, einschließlich des Krankenhauses Saint Nicolas." Man mobilisiere zusätzliche medizinische und humanitäre Ressourcen zur Verstärkung der Teams vor Ort.

Der Anführer der für das Massaker verantwortlichen Gran-Grif-Gang, Luckson Elan, sagte, dieser Angriff sei eine Vergeltung dafür, dass die Zivilbevölkerung untätig geblieben sei, während die Polizei und andere bewaffnete Gruppen seine Mitglieder getötet hätten.

UN-Generalsekretär António Guterres erklärte über seinen Pressesprecher, dass er den Angriff der bewaffneten Bande aufs Schärfste verurteilt. Zudem unterstrich er die Bedeutung der gemeinsamen Anstrengungen der nationalen Polizei und der multinationalen Sicherheitsmission in Haiti. Guterres "appelliert dringend an alle Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die multinationale Sicherheitsmission die finanzielle und logistische Unterstützung erhält, die sie für ihren Erfolg benötigt".

Nach dem Massaker brach der haitianische Premierminister Garry Conille zu einer Auslandsreise in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Kenia auf.

"Eines der Ziele dieser Reise ist es, mit Präsident Ruto in Kenia zu besprechen, wie wir den Einsatz der noch fehlenden kenianischen Einsatzkräfte so schnell wie möglich beschleunigen können, um die nationalen Polizeikräfte weiter zu unterstützen", sagte Conille. Bisher befinden sich 600 kenianische Polizisten im Rahmen der Sicherheitsmission in Haiti. Kenia hat die Entsendung von 2.500 Polizisten bis Januar 2025 zugesagt.

Der Bandenüberfall der letzten Woche zeigt die weitere Zuspitzung der Situation in Haiti. Derweil hat der uneinige haitische Übergangsrat mit Leslie Voltaire einen neuen Staatspräsidenten für das Land gewählt.

Kritik an diesem Prozess kommt vom bisherigen Präsidenten Edgard Leblanc Fils, der sich weigerte, ein Dekret zur Bestätigung der Machtübergabe zu unterzeichnen. Leblanc Fils hatte sich gegen den Wechsel ausgesprochen und sich dabei auf ungeklärte Korruptionsvorwürfe gegen drei andere Ratsmitglieder berufen, die weiterhin stimmberechtigte Mitglieder sind. Diese hatten den Wechsel der Präsidentschaft unterstützt.

Nachdem Anfang des Jahres Bandenangriffe auf staatliche Einrichtungen zugenommen hatten und in diesem Zusammenhang der bisherige Premierminister Ariel Henry zurücktrat, wird das Land von einem Übergangsrat regiert. Dieser soll möglichst sichere Bedingungen für Neuwahlen schaffen, danach endet seine Amtszeit.

Allerdings empfahl die haitianische Anti-Korruptionseinheit in diesem Monat rechtliche Schritte gegen drei Ratsmitglieder. Sie hatten angeblich Kreditkarten angenommen und vom Vorsitzenden einer staatlichen Bank fast 770.000 Dollar verlangt.

Die neue Regierung erklärte, sie hoffe, dass die ersten Wahlen seit 2016 im nächsten Jahr abgehalten werden können, sofern die Sicherheit wieder ausreichend gewährleistet sei.