San Isidro de El General/Térraba. In einem Aufsehen erregenden Urteil hat das Strafgericht des Kantons Pérez Zeledón den wegen Mordes an dem Umwelt- und Landrechtsaktivisten Jerhy Helmut Rivera Rivera Angeklagten freigesprochen. Das Urteil, das am 19. September in der Provinz San José erging, löste Empörung unter Beobachtern aus. Eine Woche später verlass das Gericht nun die Urteilsbegründung.
Der Beschuldigte Juan Eduardo Varela Rojas hatte den indigenen Anführer im Jahr 2020 bei einem koordinierten Überfall auf Landrechtsverteidiger erschossen (amerika21 berichtete).
Als Angehöriger der Brörán hatte sich Rivera im indigenen Territorium Térraba im Süden Costa Ricas jahrelang gegen die widerrechtliche Besetzung des Landes durch Rinderzüchter eingesetzt, die heute etwa 80 Prozent dieses Territoriums kontrollieren. Nachdem er bei seinem Einsatz gegen illegale Entwaldung bereits 2013 durch ein Attentat schwer verletzt wurde, verhängte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IAKMR) 2015 Präventivmaßnahmen zum Schutz von Rivera und anderen indigenen Anführern. Sie forderte den costa-ricanischen Staat zudem auf, für ihre Sicherheit zu garantieren.
Bei dem Versuch, die Kontrolle über illegal besetztes indigenes Land zurückzugewinnen, wurden Mitglieder der Landrechtsbewegung von Térraba am 24. Februar 2020 von einem bewaffneten Mob überfallen. Rivera wurde mehrfach von dem nun freigesprochenen Varela Rojas in den Rücken geschossen. Nicht einmal ein Jahr zuvor war mit Sergio Rojas Ortíz im März 2019 ein anderer indigener Landrechtsverteidiger ermordet worden, der ebenfalls den Schutzauflagen der IAKMR unterstand.
Während die Staatsanwaltschaft im Fall von Rojas Ortíz ihre Ermittlungen ergebnislos eingestellt hat, war Varela Rojas im Februar 2023 zunächst wegen Mordes, illegalen Waffenbesitzes und Morddrohungen gegenüber einer der Zeuginnen zu 22 Jahren und 15 Tagen Haft verurteilt worden. Das Berufungsgericht von Cartago kassierte diese Entscheidung allerdings im Juli 2023 ein.
Die Richter des Strafgerichtshofes von Pérez Zeledón verkündeten nun den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf des Mordes. Sie begründeten diesen Schritt mit Zweifeln am Hergang der Tötung Riveras. Varela Rojas wurde lediglich wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die er im Hausarrest verbringen darf.
Von dem Urteil zeigten sich Beobachter und zivilgesellschaftliche Organisationen entsetzt. Erst kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft eine 35-jährige Freiheitsstrafe wegen Mordes und damit das maximale Strafmaß für Varela Rojas gefordert. Dieser hatte in der Vergangenheit öffentlich die Erschießung Riveras zugegeben und sich dafür von Anhängern der Landbesetzer mit Applaus feiern lassen. Vor dem Hintergrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Zeugenaussagen, die belegen, wie Rivera erst bewusstlos geschlagen und dann von mehreren Männern festgehalten und von Varela Rojas mehrfach in Rücken, Kopf und Schulter geschossen wurde, stieß die Entscheidung der Richter landesweit auf Unverständnis.
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In einer Stellungnahme bezeichnet die Frente Nacional de Pueblos Indigenas (FRENAPI) das Urteil als "Beleg für den Machtmissbrauch und die systematische Gewalt der Justiz."
Dabei werfen zivilgesellschaftliche Beobachter dem costa-ricanischen Staat Komplizenschaft in dreierlei Hinsicht vor: Zunächst beende er die illegalen Besetzungen indigenen Landes nicht, dann schütze er die Landrechtsaktivisten nicht vor tödlichen Angriffen und zuletzt gewähre er Straflosigkeit für ihre Mörder.
Insbesondere die persönliche Einlassung des Richters Richard Mena Vargas, er unterstütze die Aktionen der Indigenen zur Rückgewinnung ihres Landes nicht, wird von der Federación Ecolologista (FECON), einem nationalen Verband ökologischer und sozialer Organisationen, als offener Schulterschluss mit den illegalen Landbesetzern gewertet.
In zwei Communiqués, die die Organisation Coordinadora Lucha Sur Sur (CLSS) im September publizierte, erklären verschiedene Indigenen- und Landrechtsorganisationen, "allein die Intervention ökonomisch und politisch mächtiger Gruppen" könne in diesem Fall einen Freispruch erklären. Sie sprechen von "systemischem Rassismus des costa-ricanischen Staates".
Auch die Vereinten Nationen zeigten sich über das Urteil besorgt und wandten sich mit Forderungen an den costa-ricanischen Staat. Selbst nach über vier Jahren habe die costa-ricanische Justiz diejenigen, die Rivera erschossen haben, sowie ihre Hintermänner nicht zur Verantwortung gezogen. Sie schaffe damit einen Kontext der Straflosigkeit.
Als verheerend wird die von dem Urteil ausgehende Signalwirkung eingeschätzt. Noch am Tag des Urteils äußerte sich der indigene Landrechtsverteidiger Pablo Sibar, der wie die Ermordeten den Schutzauflagen der IAKMR untersteht und sich bereits seit Langem Morddrohungen ausgesetzt sieht: "Den Großgrundbesitzern ist nun klar, dass sie mit ihrer Gewalt in unseren Territorien fortfahren können."
Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Nebenklage prüfen derzeit eine Berufung.