Quibdó. Gewalt gegen Frauen als Waffe im Konflikt – mehrere NGOs berichten über einen "Plan Femizid" der kriminellen Gruppe Clan de Golfo in Quibdó. Demnach zirkulieren in der Stadt am Pazifik Kettenbriefe mit Namen von 27 Frauen. "Sie haben 24 Stunden, um die Stadt zu verlassen, ab jetzt sind Sie militärische Ziele", steht dort. Mit ihren Drohungen richtet sich die Gruppe besonders an Frauen, die in Verbindung mit den anderen bewaffneten Gruppen stehen, die im Departamento Chocó agieren.
Hintergrund ist der Kampf um territorialen Einfluss zwischen dem Clan del Golfo und der lokalen organisierten Kriminalität. Am zweiten September kündigten die drei Banden in Quibdó (RPS, Los Mexicanos und Locos Yam) die Waffenruhe auf. Die Waffenruhe war Teil ihrer Gespräche mit der Regierung von Gustavo Petro, die dieser neben Guerillagruppen auch mit Banden aus der organisierten Kriminalität führt.
Von nun an werde man "sein Territorium" verteidigen – gegen den Clan del Golfo, auch bekannt unter Ejército Gaitanista de Colombia. Die am Drogenhandel beteiligte Gruppe hat sich aus demobilisierten Kämpfern der paramilitärischen Gruppe Autodefensas Unidas de Colombia gegründet. Nun möchten sie auch in Quibdó an Einfluss gewinnen, die Stadt "einnehmen". Dies berichtete Otty Patiño, der Hochkommissar für Frieden. Ein Angebot zur Feuerpause nahm die Gruppe nicht an.
Neben Morden, Entführungen und Drohungen kommt es auch immer wieder gezielt zu Gewalt gegen Frauen. Das Observatorio Feminicidios Colombia spricht von drei bestätigten Femiziden im Chocó im August 2024. Zusätzlich verschwinden vermehrt Frauen und Kinder, so die feministische Bewegung Pazifistische Route für Frauen. Am 12. September etwa entführten Mitglieder des Clans fünf Angehörige des indigenen Volkes der Emberá im Departamento Chocó, drei von ihnen minderjährig. Bei ihrer Rückkehr erzählten sie davon, dass sie unter anderem zu Tanzvorführungen vor den Mitgliedern der kriminellen Gruppe gezwungen wurden.
Eine Woche nach diesem Vorfall sendete die zuständige Ombudsstelle "Defensoría del Pueblo", eine autonome Instanz innerhalb der Regierung Petro, eine Frühwarnung vor möglichen Menschenrechtsverletzungen in Quibdó aus. Besonders gefährdet seien Frauen, Kinder und Unterzeichner des Friedensabkommens. Nicht zu unterschätzen sei auch der psychische Schaden für die Frauen. Zum Schutz der Menschen vor Ort empfiehlt die Behörde mehr Patrouillen im Innenstadtgebiet und Kontrollen der zentralen Verkehrswege, etwa auf den Flüssen Atrato oder Cavi. Ein außerordentlich einberufener Sicherheitsrat hat auch die zusätzliche Bereitstellung von 5.000 Militärangehörigen in der Region beschlossen.
Frauenrechtsorganisationen bezeichnen die bisherigen Maßnahmen allerdings als unzureichend.
Auch der Bürgermeister von Quibdó bat im Gespräch mit der Zeitung El Tiempo Präsident Petro um Hilfe angesichts der zunehmenden Gewalt in seiner Stadt. Sorgen mache er sich vor allem um die Jugendlichen und forderte, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Momentan führt die Stadt mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 35,4 Prozent die Statistiken an. Quibdó liegt am Pazifik und hat etwa 130.000 Einwohner. Die Stadt ist hauptsächlich mit dem Schiff zu erreichen. Organisierte Kriminalität gibt es dort schon seit dem letzten Jahrhundert, üblich ist etwa die Praxis der Vacuna, die Abgabe von Schutzgeldzahlungen.
Im ganzen Land steigen unterdessen die Zahlen der Femizide. Das erste Halbjahr 2024 sind die sechs Monate mit den meisten Femiziden seit Aufzeichnung.
Eine umfassende Strategie gegen Femizide gehört zu den Zielen des Präsidenten in seiner Amtszeit. Mit dem Artikel 342 des nationalen Entwicklungsplans 2022-2026 wurde vor anderthalb Jahren der Notstand in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt ausgerufen. Zu den festgeschriebenen Aufgaben gehört es, Spezialkräfte in Polizei und Armee zu bilden und Angestellte in der Justiz weiterzubilden. Umgesetzt wird das in Form der "Lila Polizeipatrouille" auch im Chocó.