Chile / Wirtschaft

Betrug im großen Stil: Finanzbehörden in Chile heben Unternehmerring aus

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Die Polizei zeigte bei einer Pressekonferenz einige beschlagnahmte Güter vor
Die Polizei zeigte bei einer Pressekonferenz einige beschlagnahmte Güter vor

Santiago de Chile. Der größte Steuerskandal in der Geschichte Chiles erschüttert das Land. Bei Datenabgleichen stießen die Finanzbehörden auf ein Netz von 100 Scheinfirmen. Diese haben landesweit in zehn Regionen operiert. Durch Geschäfte am Finanzamt vorbei sollen sie einen Steuerschaden von umgerechnet etwa 276 Millionen US-Dollar verursacht haben. Nach weiteren Ermittlungen gehen die Behörden inzwischen von einem Schaden in Höhe von 390 Millionen Dollar aus.

Bisher sind 55 Personen verdächtigt. Die Hälfte ist in Untersuchungshaft, der Rest befindet sich während der Ermittlungen mit Auflagen auf freiem Fuß. Es wird wegen Steuerbetrug, Exportvergehen, Geldwäsche und Gründung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.

Der Betrug funktionierte jahrelang und es wird auch hinterfragt, ob eventuell Personal der Finanzbehörden dabei behilflich war. Dafür gibt es aber keine konkreten Hinweise. Wahrscheinlicher ist, dass die digitale Steuerbearbeitung den Betrug erleichterte. Vor vielen Jahren wurde die Finanzbuchhaltung in Chile digitalisiert und seitdem online abgewickelt. Bei der monatlichen Mehrwertsteuererklärung und jährlichen Bilanzierung werden die Daten lediglich formal und rechnerisch verglichen. Außerdem werden eidesstattliche Erklärungen verlangt, deren Wahrheitsgehalt angenommen wird, solange das Finanzamt nicht das Gegenteil beweisen kann. Eine intensive Steuerprüfung ist selten und wird in der Regel nur bei einem Anfangsverdacht durchgeführt. Solange die Einträge im digitalen Einkaufs- und Verkaufsbuch mit der Steuererklärung übereinstimmen, ist für das Finanzamt alles in Ordnung.

Bei umfangreichen und routinemäßigen Datenanalysen stießen die Finanzbehörden bei 100.000 Rechnungen auf wiederkehrende Vorgänge zwischen den gleichen Firmen und Privatpersonen. Zusätzlicher Verdacht kam auf, als festgestellt wurde, dass die Firmen ebenfalls im Exportgeschäft tätig waren und dafür Steuerrückerstattungen bekamen.

Die Verdächtigen sollen sich in insgesamt sieben Clans nach familiären, freundschaftlichen und zum Teil politischen und wirtschaftlichen Kriterien organisiert haben. Unter den Verdächtigen ist Ximena Jiménez, ehemalige Kandidatin zum Regionalparlament für die ultrarechte Partei Republikaner. Sie steht unter Hausarrest, beteuert aber ihre Unschuld. Auch gegen Lucciano Vanella, Mitbesitzer der exclusiven Restaurantkette La Piccola Italia, wird ermittelt.

Bei 80 Hausdurchsuchungen konnten 22 Autos, Bargeld, Luxusartikel und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden. Es wurden 350 Fahrzeuge identifiziert, auf denen noch Vorkaufsrechte der Banken lasten, da sie über Kredite finanziert wurden. Eine bisher unbekannte Anzahl von Immobilien, Häusern, Wohnungen und Grundstücke vervollständigen die Liste.

Finanzminister Mario Marcel machte eine Rechnung über den angerichteten Schaden auf, um ihn der breiten Bevölkerung begreifbar zu machen. Das Geld hätte für den Bau von drei öffentlichen Krankenhäusern, bzw. 15 Schulen höchster Qualität oder 25 Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung gereicht.

Dieser Fall reiht sich in eine lange Reihe von Steuerbetrug und Steuermissbrauch ein. Im Jahr 2014 zweigte das Finanzunternehmen Penta mit Steuermanipulation Geld zur Finanzierung der rechten Partei Demokratische Unabhängige Union (UDI) ab. 2016 wurden hohe Polizeigeneräle überführt, stattliche Geldbeträge für private Reisen und Luxusartikel veruntreut zu haben. Das gleiche Schema wandten Heeresgeneräle an, als sie sich aus einem Haushaltsposten für besondere Zwecke, der keiner Kontrolle unterliegt, bedienten. Der Journalist Mauricio Weibel beziffert den Schaden aus beiden Fällen in seinem Buch "Hochverrat" auf insgesamt 25 Millionen Euro.