"Brasilien ist zurück": Lula da Silvas Staatsbesuche in Portugal und Spanien

Präsident spricht im Parlament in Portugal am Jahrestag der "Nelkenrevolution". Engagement für Dialog und politische Verhandlungen zur Konfliktlösung bekräftigt

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Lula mit Portugals Premierminister António Costa am 22. April
Lula mit Portugals Premierminister António Costa am 22. April

Lissabon/Madrid. Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva hat bei einem mehrtägigen Staatsbesuch in Portugal und Spanien die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu beiden Ländern vertieft.

Während des Aufenthalts in Portugal, bei dem Lula auch von acht Minister:inn begleitet wurde, sind 13 bilaterale Abkommen unterzeichnet worden. Sie betreffen die Bereiche Wirtschaft, Zuwanderung, Technologie, Tourismus, Medien, Gesundheit und Bildung und wirken sich teils auf den Lebensalltag der offiziell 400.000 in Portugal lebenden Brasilianer:innen aus.

Unter anderem sollen weiterführende Schulabschlüsse und Hochschulzeugnisse gegenseitig anerkannt werden. Damit soll den vielen in Gesundheitsberufen ausgebildeten Brasilianer:innen die Berufsausübung in Portugal erleichtert werden, während Portugal seinen Ärztemangel, der vor allem die migrantische Bevölkerung betrifft, besser bewältigen will.

Einige Minister:innen trafen sich mit Delegierten migrantischer Gruppen. Laut Anielle Franco, Brasiliens Ministerin für ethnische Gleichstellung, ist eine Kooperation zwischen dem portugiesischen "Observatorium für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" und einer brasilianischen Bundesuniversität geplant. Es sei "ein historisches Novum", so Franco, diese Themen auf die bilaterale Agenda gesetzt zu haben.

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"Standing Ovations" für Lula in Portugals Parlament
"Standing Ovations" für Lula in Portugals Parlament

Präsident Lula war eingeladen, am 25. April – dem Jahrestag der "Nelkenrevolution" – in Begleitung von Staatspräsident Marcelo Rebelo und Parlamentspräsident Augusto Santos Silva eine Sitzung des portugiesischen Parlaments zu eröffnen. Er nannte den 25. Abril 1974 Portugals "Sprung in die Zukunft", der mit der Herstellung der Demokratie die Basis für wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit gelegt habe. Lula betonte, dass Portugals Kampf gegen die Militärdiktatur auch die brasilianische Opposition ermutigt habe, Freiheit und Demokratie zurückzuerobern, als dort noch politische Verfolgung herrschte. Trotz Beschimpfungen durch die ultrarechte Opposition feierten die meisten Abgeordneten seine Worte mit großem Beifall.

Ein anderer Höhepunkt von Lulas Agenda war die Verleihung des "Prêmio Camões", des wichtigsten portugiesischsprachigen Literaturpreises, an den brasilianischen Sänger und Schriftsteller Chico Buarque. Der Preis hätte 2019 verliehen werden sollen, allerdings verweigerte Ex-Präsident Jair Bolsonaro seine Unterschrift. "Mit dieser Auszeichnung gewinnt Genius gegen Gewalt", sagte Lula.

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Verleihung des "Prêmio Camões" an Chico Buarque
Verleihung des "Prêmio Camões" an Chico Buarque

Mit Buarque wurde ein Protagonist der "Musica Popular Brasileira" ausgezeichnet, der neben seinen rund 80 Musikalben ein umfangreiches Prosawerk aufweist. Er wurde von einer Jury mit Vertreter:innen aus Portugal, Brasilien, Angola und Mozambik ausgewählt, die die "Transversalität" seines Werks lobte. Buarque betonte, das Warten habe sich gelohnt: "Ich nehme den Preis als Entschädigung für viele brasilianische Autoren und Künstler entgegen, die in den Jahren der Dummheit und des Obskurantismus erniedrigt und beleidigt wurden".

In Spanien rief Lula auf dem brasilianisch-spanischen Unternehmerforum die Teilnehmenden zu einer "neuen Welle spanischer Investitionen" in Brasilien auf. Spanien ist mit rund 4,2 Milliarden Euro (2022) zweitgrößter Investor in Brasilien.

"Politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum werden Unternehmen exzellenten Ertrag bringen" sagte er und verwies auf ein Investitionsprogramm in die Infrastruktur. "Wir werden Brasilien in eine große Baustelle verwandeln, Häfen, Flughäfen, Eisenbahnen und Straßen bauen und ausbauen." Öffentliche und private Sektoren sollen dabei Hand in Hand arbeiten. Erneut verpflichtete er sich, alle Umweltverbrechen zu bekämpfen.

Lula und der spanische Premierminister Pedro Sánchez unterzeichneten drei bilaterale Abkommen, mit denen die Kooperation in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Technologie sowie Arbeitsrechten und digitaler Ökonomie ausgebaut werden soll. In Spanien leben circa 100.000 Brasilianer:innen.

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Lula im Gespräch mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am 26. April
Lula im Gespräch mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am 26. April

Sánchez erklärte, Spanien feiere die Rückkehr Brasiliens auf die Weltbühne, um gemeinsam die globalen Herausforderungen anzugehen. Beide Regierungen würden Seite an Seite Demokratie und Rechtsstaat "gegen die Horden aus Washington oder Brasília" verteidigen. Beide Staatsführer betonten auch ihren Willen zum baldigen Abschluss des EU-Mercosur-Handelsabkommens.

In Lissabon wie in Madrid bemühte sich Lula, seine Haltung zum Ukraine-Konflikt und möglichen Lösungen zu erklären. Er verurteilte Russlands Eindringen auf ukrainisches Territorium. "Wir glauben, dass Russland sich geirrt hat und haben das mit allen UNO-Resolutionen verurteilt. Aber es ist notwendig, den Krieg zu stoppen. Und um ihn zu stoppen, braucht es jemanden der redet. Brasilien ist dazu bereit." Notwendig sei eine Gruppe von Ländern, die sich "sowohl mit der Ukraine wie mit Russland an den Tisch setzt, um Frieden zu finden," so Lula. "Wer an militärische Lösungen glaubt, kämpft gegen den Lauf der Geschichte. Es gibt keine dauerhafte Konfliktlösung, die nicht auf Dialog und politischer Verhandlung basiert."

In diesem Kontext wiederholte Lula seine Unzufriedenheit mit der Zusammensetzung und Funktionsweise des UNO-Sicherheitsrats, der die vergangene Ordnung nach Ende des 2. Weltkriegs spiegele. Alle großen Weltregionen müssten verteten sein, damit das Organ repräsentativer und effizienter in der Durchsetzung seiner Entscheidungen sei.

Er kritisierte zudem, dass im Sicherheitsrat die größten Waffenproduzenten und Kriegsteilnehmer der Welt säßen. "Ich glaube, der Moment ist gekommen, um eine G-20 Gruppe des Friedens zu schaffen, um einen Weg aus dem Krieg zu diskutieren".