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Paraguay liberalisiert den Markt für Agrar-Gentechnik und umgeht eigene Risikoprüfung

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Das Cover des im März veröffentlichten Buches zu dem auf Gentechnik basierenden Agrarsektor in Paraguay von BASE IS
Das Cover des im März veröffentlichten Buches zu dem auf Gentechnik basierenden Agrarsektor in Paraguay

Asunción. Die Regierung Paraguays hat in nur drei Jahren die Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) derart beschleunigt, dass in diesem Zeitraum mehr GVO zugelassen wurden als in den letzten 20 Jahren zuvor.

Das gemeinnützige Forschungsinstitut BASE Investigaciones Sociales Paraguay (BASE-IS) hat die paraguayischen Politiken und Institutionen zur Förderung des Agrarsektors untersucht und die Ergebnisse in einem Buch zur Institutionalisierung des auf Gentechnik basierenden Agrarsektors in Paraguay ("Institucionalización del Agronegocio Transgénico en Paragua") präsentiert. Dieses wurde im März veröffentlicht.

Seit 2019 hat das Agrarministerium (MAG) den Rechtsrahmen für die Zulassung von GVO-Pflanzen durch die Beschlüsse Nr. 1030 und Nr. 1071242 systematisch dereguliert.

Dem neuen Buch zufolge basiert die kommerzielle GVO-Zulassung in Paraguay hauptsächlich auf deren Genehmigung in Drittländern. Das MAG hat und nutzt vielfach die Befugnis, GVO in Paraguay durch vereinfachte Bürokratie-Abläufe zu genehmigen, weil diese in anderen Ländern schon zugelassen sind. Das Ministerium, das eigentlich die Nationale Kommission für Biosicherheit in der Land- und Forstwirtschaft (Conbio) kontrolliert, umgeht damit eigene ökologische oder gesundheitliche Risikoprüfungen.

Die Politik des Staatspräsidenten Mario Abdo Benitez beruhe den Buchautor:innen zufolge – als Fortsetzung der Regierungspolitik von Horacio Cartes – hinsichtlich der Freisetzung von GVO auf den Kriterien benachbarter Staaten. Diese werden unter dem Einfluss der Interessen transnationaler Konzerne, welche GVO und Pestizide auf globaler Ebene produzieren und daran die Patente halten, ausgearbeitet.

Der deregulierte institutionelle Rahmen für die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen ist BASE-IS zufolge besonders gefährlich, da Argentiniens Regierung kürzlich die kommerzielle Freisetzung des weltweit ersten gentechnisch veränderten HB4-Weizens genehmigt hat, der gegen das Totalherbizid Glufosinat-Ammonium (15-mal giftiger als das wahrscheinlich krebserregende Glyphosat) resistent ist. 

Auch in Brasilien wurden der Anbau und die Einfuhr von transgenem HB4-Weizenmehl genehmigt (amerika 21 berichtete). Angesichts dieses internationalen Panoramas und der Deregulierung der paraguayischen Vorschriften konnte die Biosicherheitsbehörde Conbio unter Aufsicht des MAG den HB4-Weizen durch einfache bürokratische Verfahren auch in Paraguay kommerziell zulassen.

Dieser Prozess hat in Paraguay die Zahl der Genehmigungen für GVO beschleunigt. Zwischen August 2021 und Februar 2022 wurden insgesamt sieben neue GVO zugelassen, davon sechs Maispflanzen und eine Sojabohne. Die Autor:innen weisen in ihrem Buch darauf hin, dass seit 2019 über 40 Prozent der Gesamtzahl der seit 2004 genehmigten GVO in Paraguay zugelassen wurden, das heißt in nur drei Jahren sind mehr GVO freigesetzt worden als in den fast zwei Jahrzehnten zuvor.

Derzeit sind in Paraguay insgesamt 48 GVO kommerziell zugelassen, von denen 30 auf Mais, zehn auf Soja und acht auf Baumwolle entfallen. Von den in dem Land genehmigten transgenen Organismen gehören 85,4 Prozent den vier transnationalen Agrarkonzernen, die derzeit das gesamte kommerzielle transgene Saatgut weltweit besitzen: 35,4 Prozent Monsanto, 22,9 Prozent Syngenta, 14,5 Prozent Dow Agrosciences und 12,5 Prozent BASF.

Diese Machtkonzentration bei der Agrarindustrie geht mit dem weitgehenden staatlichen Verlust der Souveränität über Saatgut und Ernährungssicherung einher.