Wahlen in Paraguay: Progressive Kräfte formieren sich

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Tausende beteiligten sich am " XXIX Marcha Campesina, Indígena y Popular" in Paraguays Hauptstadt
Tausende beteiligten sich am " XXIX Marcha Campesina, Indígena y Popular" in Paraguays Hauptstadt

Asunción. Im Agrarland Paraguay laufen die Wahlkampagnen derzeit auf Hochtouren. Am 30. April wird die Bevölkerung bei allgemeinen Wahlen ihre Stimmen zum Parlament, zur Präsidentschaft und den Regionalregierungen abgeben.

Während im Großteil der südamerikanischen Länder wie Kolumbien, Chile und Brasilien inzwischen progressive Regierungen an die Staatsspitze gewählt wurden, dominiert in Paraguay weiterhin die rechts-konservative Partido Colorado. Diese gewann in den letzten siebzig Jahren alle Wahlen bis auf eine im Jahr 2008. Damals wurde der Kandidat des Linksbündnisses "Patriotische Allianz für den Wandel", Fernando Lugo, zum Präsidenten gewählt ‒ und im Juni 2012 durch einen parlamentarischen Putsch gestürzt.

Laut Wahlprognosen liegt der Colorado-Kandidat Santiago Peña mit 19 Prozentpunkten vor seinem Rivalen und Außenseiterkandidaten Payo Cubas, den die populistische Partei ​​Cruzada Nacional aufgestellt hat. Peña vertritt traditionelle Familenwerte und beansprucht, die Unsicherheit im Land bekämpfen.

Den dritten Platz in den Umfragen belegt Efraín Alegre, der für das liberale Wahlbündnis "Concertación Nacional" antritt und Korruption und mafiöse Strukturen im Land  bekämpfen will. Alegre nahm am vergangenen Samstag zusammen mit dem uruguayischen Ex-Präsidenten José Mujica und dem früheren paraguayischen Staatschef Lugo an einer Versammlung linker Kräfte mit der "Jugend Paraguay" teil. Dabei forderte Mujica die linken Bewegungen kurz vor den Wahlen auf, zu "lernen, sich gegenseitig zu tolerieren und Verschiedenheiten miteinander zu vereinbaren."

Das Muster der Dauerherrschaft der Colorado-Partei möchten auch andere progressive Kräfte wie Ermo Rodríguez brechen, der für die Frente Guasu Nemongeta als Senatskandidat antritt. Er setzt sich für die Rechte der Jugend und der Frauen ein, möchte das Gesundheits- und Bildungssystem revolutionieren und verspricht, die "bäuerlichen und einheimischen Familienbetriebe, die gesunde Lebensmittel für die Bevölkerung erzeugen", zu fördern. Die Wahlliste der linken Bewegung wird von Lugo angeführt. Die letztes Jahr von der Frente für die Präsidentschaft aufgestellte Esperanza Martínez, die sich für die Belange der Minderheiten einsetzt und bereits als Gesundheitsministerin fungierte, schied schon bei den Vorwahlen aus.

Das Land leidet unter den Agrar-Oligarchen, die den Boden des Landes für Exportprodukte wie Soja und Viehzucht nutzen und sich immer weiter ausbreiten. 85 Prozent der Ländereien befinden sich in den Händen von lediglich zwei Prozent der Bevölkerung.

Weniger als ein Prozent der Wahlkandidat:innen sind indigener Herkunft, wie beispielsweise die Aktivistinnen Paulina Villanueva und Ángela Sale, die für die Wahlen zum Kongress aufgestellt wurden. Der bekanntere Kandidat Marciano Chevugui tritt mit der Forderung an, eine "indigene Entwicklungsagenda" in die nationale Agenda mit aufzunehmen.

Der Nationale Bauernverband (Federación Nacional Campesina, FNC) organisierte gemeinsam mit indigenen Organisationen in den vergangenen Wochen mehrfach Proteste gegen die aktuelle Regierung, darunter den "XXIX Marcha Campesina, Indígena y Popular". Damit erhebt die Landbevölkerung die Stimme gegen ihre historische Vernachlässigung.

Die Generalsekretärin des FNC, Teodolina Villalba, sprach bei der Abschlussveranstaltung in Asunción die zwei größten Probleme der indigenen- und Landbevölkerung an: Die "komplette Abwesenheit des Staates" für die Bedürfnisse dieser Teile der Bevölkerung und das fehlen von Bildungsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten. Ungeachtet dieser Misere ignorieren die Wahlprogramme der meisten Parteien die 19 indigenen Gemeinschaften und die Bauern und Bäuerinnen und deren Kampf um den Zugang zu Land. 85 Prozent der Ländereien befinden sich in den Händen von lediglich zwei Prozent der Bevölkerung.

Im Namen des Bauernverbandes rief Villalba zur Wahl des Kandidat:innenduos der "Concertación Nacional" Efraín Alegre – Soledad Núñez auf.

Ende März hatte der FNC mit Alegre und Núñez eine Vereinbarung auf der Grundlage eines von dem Verband vorgelegten Vorschlags für eine staatliche Politik zur Stärkung der bäuerlichen und indigenen Familienlandwirtschaft geschlossen und öffentlich präsentiert.

Bei den letzten Wahlen 2018 gewann der rechts-konservative Kandidat und derzeitige Präsident Mario Benítez mit 46,46 Prozent der Stimmen. In seiner Regierungszeit setzte sich das Staatsoberhaupt insbesondere für die wohlhabende Bevölkerung und Großgrundbesitzer sowie multinationale Unternehmen und deren Belange ein. Die ärmere Landbevölkerung und indigene Gemeinschaften waren Kriminalisierung und Zwangsräumungen ausgesetzt (amerika21 berichtete).