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Brasilien: Regierung Lula intensiviert den Kampf gegen Armut und Hunger

Präsident reaktiviert zentrale Instrumente der Sozialpolitik und setzt "Nationalen Rat für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit" wieder ein

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Am 3. März übergab die Regierung in Rondonópolis 1.440 Wohnungen im Rahmen des Programms "Minha Casa Minha Vida"
Am 3. März übergab die Regierung in Rondonópolis 1.440 Wohnungen im Rahmen des Programms "Minha Casa Minha Vida"

Brasília. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse der ärmeren Brasilianer:innen war ein zentrales Wahlkampfversprechen von Luiz Inácio Lula da Silva. Nun lässt der Präsident Taten folgen, reaktiviert zentrale Instrumente und setzt den "Nationalen Rat für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit" wieder ein.

"Bolsa Família" ist ein Kindergeld- und Sozialhilfeprogramm, das in Lulas erster Regierungszeit 2004 eingeführt worden war und zu seiner großen Popularität vor allem im Nordosten beitrug.

Während unter seinem Amtsvorgänger Jair Bolsonaro nur ein Grundbetrag von am Ende 600 Reais (108 Euro) pro Monat gezahlt wurde, hat Lula die Zuwendungen nun je nach Bedürftigkeit ausgeweitet: Neben dem Grundbetrag werden 150 Reais (ca. 27 Euro) für Kinder bis sechs Jahren und 50 Reais (ca. 9 Euro) für Kinder bis max. 18 Jahren (bei nachgewiesenem Schulbesuch) bezahlt; auch schwangere Frauen werden mit 50 Reais zusätzlich im Monat unterstützt.

Lula betonte bei der Vorstellung, dass seine "Lebensaufgabe" erst dann erfüllt sei, wenn alle Brasilianer:innen frühstücken sowie zu Mittag und Abend essen könnten.

Sozialminister Wellington Dias (PT) ergänzte, dass die neue Staffelung gerechtere Transferleistungen für größere Familien erlaube. Zugleich rechnet er damit, dass bei der geplanten feinmaschigen Überprüfung ("pente-fino") rund 1,55 Millionen bisher Begünstigte aus dem Programm fallen werden. Insgesamt sind bisher mehr als 53 Millionen Familien unterstützt worden, vor einem halben Jahr waren es mehr als 20 Millionen, von denen etwa 47 Prozent im Nordosten und knapp 30 Prozent im Südosten wohnen.

Begleitend zu dem 2003 ursprünglich als "Fome zero" (Null Hunger) gestarteten Programm hat der Präsident den "Nationalen Rat für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit" (Consea) reaktiviert, der die Beteiligung sozialer Bewegungen an der Umsetzung sicherstellen soll. Das 1993 durch den damaligen Präsidenten Itamar Franco geschaffene Organ wurde von Ex-Präsident Bolsonaro in einer der ersten Amtshandlungen aufgelöst. Die 60 Mitglieder des Consea kommen zu 2/3 aus Kirchen, Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen, zu 1/3 aus den zuständigen Ministerien.

Seine Notwendigkeit scheint größer denn je: Nach Erhebungen der Nichtregierungsorganisation "Rede Brasileira de Pesquisa em Soberania e Segurança Alimentar e Nutricional" litten 2022 rund 33 Millionen Brasilianer:innen an Hunger und waren 58 Millionen von "Lebensmittelunsicherheit" betroffen.

"Ich träume weiter davon, dass der Hunger auf der Welt ein Ende hat", betonte Lula bei Vorstellung des Consea. Die im Kampf gegen den Hunger aktiven sozialen Bewegungen wie die NGO "Banquetaço" (Große Tafel) feierten in vielen Städten mit der Verteilung von Lebensmitteln und dem Aufbau von Straßenbuffets.

Bereits im Februar hatte die Regierung andere Instrumente für die Sozialpolitik wiederbelebt.

Zum einen wurde das Wohnungsprogramm "Minha Casa, Minha Vida" (Mein Haus, mein Leben), das seit 2009 besteht und seitdem mehr als 15 Millionen Familien zu einem günstigen Eigenheim verholfen hat, neu aufgelegt und mit weiteren Mitteln ausgestattet. 50 Prozent der staatlich subventionierten Wohnungen sollen nun Familien aus den einkommensschwächsten Schichten (mit maximal 2.600 Reais, circa 470 Euro, BruttohaushaItseinkommen) zukommen. Zudem sollen der Erwerb von "gebrauchtem städtischem Wohnraum" vereinfacht und Angebote für auf der Straße lebende Familien gemacht werden.

Zum anderen schuf die Regierung ein neues Instrumentarium zur Förderung der Materialsammler:innen. Mit dem "Programa Diogo Sant’ana Pró-Catadoras e Catadores para a Reciclagem Popular" wurde das von Bolsonaro abgeschaffte "Programa Pró-Catador" wiederbelebt. Daneben wurde ein neues Bonus- und Zertifikatssystem geschaffen, um den Sammlungs-, Recycling- und Wiederverwertungsprozess für alle Beteiligten attraktiver zu machen.

Mit diesen Maßnahmen will die Regierung die Rolle der oft diskriminierten "catadores" beim Umbau zu einer Kreislaufwirtschaft stärken und würdigen. Lula erinnerte daran, dass diese ihn während seines Gefängnisaufenthalts in Curitiba oft besucht hatten: "Was immer ihr braucht, ihr habt in mir einen Freund".