Chile / Militär / Politik

Chile: Regierung Boric schickt das Militär an die Grenze zu Peru und Bolivien

fp_uhk8xgakkxjz.jpeg

Die Innenministerin Carolina Tohá beim Grenzbesuch
Die Innenministerin Carolina Tohá beim Grenzbesuch

Santiago. Seit Montag kontrolliert das Militär die nördlichen Grenzen Chiles und übernimmt grenzpolizeiliche Aufgaben. Eine Maßnahme, die von rechten Sektoren seit langem gefordert und nun von der Mitte-links Regierung unter Gabriel Boric umgesetzt wird, um die Grenzen besser zu kontrollieren und ungeregelte Grenzübertritte zu verhindern.

Der linksgerichtete Regionalgouverneur der nördlichsten Region Chiles, Ricardo Díaz, äußerte sich positiv dazu und sagte: "Wir haben seit langem mehr Militärpräsenz in der Grenzregion gefordert". Er hoffe dass dadurch Gewalttaten zurückgehen und mehr Sicherheit in einer Makroregion geschaffen werde, in der seit Jahren die Kriminalitätsrate steigt.

Innenministerin Carolina Tohá erklärte bei einem Besuch des Militärs, was jetzt passieren sollte, sei "die Abnahme irregulärer Grenzeintritte, damit jemand, der in unser Land kommen will, dies auf legale Weise tut". Gleichzeitig berichtete der Bürgermeister des Grenzortes Colchane medienwirksam von weiteren "illegalen Grenzübertritten" und Bussen, die die Menschen in die nächstgelegenen Städte weiter transportiert haben sollen.

Die Regierung kündigte an, das Militär vorerst für 90 Tage an der Grenze zu stationieren, ließ aber offen, ob der Einsatz danach verlängert werden soll.

Rechtlich ist dies aufgrund eines umstrittenen Gesetzes zur Sicherheit "kritischer Infrastruktur" möglich, das im Januar 2023 verabschiedet wurde. Damit kann das Militär erstmals im Innern des Landes eingesetzt werden, um an besonders wichtigen Orten wie der Grenze, Autobahnen oder Stromleitungen für Sicherheit zu sorgen. Ursprünglich wurde das Gesetz im Jahr 2020 als Reaktion auf die Revolte von 2019 vom damaligen Präsidenten Sebastián Piñera zur Diskussion gebracht.

Der Bürgermeister der nördlichen Küstenstadt Arica begrüßte dies. "Wir erleben eine historische Änderung in den Aufgaben des Militärs", betonte er. Dieses solle nicht mehr nur auf den Krieg vorbereitet sein, sondern auch "wenn Gefahren für die Ruhe und Sicherheit des Landes bestehen, wie etwa die Mafia, Kartelle und Menschenschlepper, die wir derzeit bekämpfen".

Militärangehörige und Staatsanwälte kritisieren indes diese Form des Einsatzes des Militärs.

Der Generalstaatsanwalt der nördlichen Region von Tarapacá, Raúl Arancibia, sagte, für die Anwendung grenzpolizeilicher Maßnahmen bräuchte es eine entsprechende Ausbildung und Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, die es derzeit noch nicht gebe. Bereits während der Debatte im Parlament mahnte der Chefkommandant der Streitkräfte, Javier Iturriaga del Campo, der Einsatz des Militärs zur inneren Sicherheit "entkräfte" seine eigentliche Hauptaufgabe.

Dennoch setzte sich eine große Mehrheit rechter und linker Parlamentarier:innen mit dem Gesetzesprojekt durch.

Seit Jahren nimmt in Lateinamerika der Einsatz des Militärs für Aufgaben der inneren Sicherheit zu. Der Politikwissenschaftler Sebastián Monsalve erklärte dies damit, dass die Polizei zum Teil mit den aktuellen Problemen überfordert wirkt und die Streitkräfte für die Gesellschaft einen Schein der Unkorrumpierbarkeit hätten, die so in Wahrheit nicht existiere. Soldaten seien zudem aufgrund ihrer Ausbildung und Ausrüstung zum Töten deutlich häufiger in Todesfälle verwickelt.

Die Grenze von Chile mit Peru und Bolivien, insgesamt mehr als 1.000 Kilometer lang, steht seit Langem im Mittelpunkt einer Debatte um Migration, Flucht und Kriminalität, die zum Teil rassistische Züge annimmt und von Gewalt begleitet wird.

Wegen der Krisen in Kolumbien, Haiti und Venezuela nimmt seit Jahren die Fluchtbewegung in Richtung Chile zu. Wegen zunehmender Visabeschränkungen nehmen immer mehr Menschen den Landweg und versuchen über die Atacamawüste einzureisen.

In Chile ist den Geflüchteten aufgrund ihrer Illegalisierung der Zugang zu legaler Arbeit, Wohnung, Bildung oder Gesundheit meist versperrt. Im Zuge der Migration und Pauperisierung vieler Geflüchteter ist besonders im Norden des Landes die Kriminalität stark angestiegen. Viele leben in Zelten in oder am Rande der großen Städte. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen die lokale Bevölkerung die Migrant:innen für Sicherheitsprobleme und wirtschaftliche Schwierigkeiten verantwortlich macht. Dabei wurden teilweise die Zelte angegriffen und Geflüchtete aus der Innenstadt vertrieben.