Progressive Regierungen in Lateinamerika bieten ausgebürgerten Nicaraguanern Staatsbürgerschaft an

gioconda_belli_leipzigerbuchmesse2016.jpg

Gioconda Belli, hier auf der Leipziger Buchmesse 2016, wird chilenische Staatsbürgerin
Gioconda Belli, hier auf der Leipziger Buchmesse 2016, wird chilenische Staatsbürgerin

Buenos Aires et al. Die Regierungen von Argentinien, Chile, Kolumbien und Mexiko haben den ausgewiesenen nicaraguanischen Oppositionellen Asyl und Staatsbürgerschaft angeboten.

Berufungsgerichte in Nicaragua hatten kürzlich insgesamt 317 Personen die Staatsangehörigkeit entzogen. 222 von ihnen waren wegen "Handlungen gegen die Unabhängigkeit, Souveränität und die Selbstbestimmung des Volkes" und wegen "Anstiftung zu Gewalt, Terrorismus und wirtschaftlicher Destabilisierung" in den letzten zwei Jahren verurteilt worden und in Haft. Sie wurden am 9. Februar mit einem zweijährigen humanitären Aufenthaltsrecht von der US-Regierung ausgeflogen.

94 weiteren Personen, die sich nicht in Nicaragua aufhielten und für dortige Gerichte nicht erreichbar waren, wurde am 15. Februar ebenfalls die Staatsangehörigkeit entzogen und der auf sie eingetragene Besitz im Land beschlagnahmt.

Nachdem die Regierung Spaniens schon der ersten Gruppe die Staatsangehörigkeit angeboten hatte, wurde dieses Angebot auch auf die zweite Gruppe der Ausgebürgerten erweitert. Dem schlossen sich die vier lateinamerikanischen nun Länder an.

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) erklärte gegenüber Medien, dass einige Personen aus Nicaragua darum gebeten hätten, in Mexiko bleiben zu können. Mexiko sei ein Land, das offene Türen habe. Die Betroffenen könnten sich entscheiden, ob sie Asyl oder die Staatsbürgerschaft erhalten wollen.

Amlo verlas auch einen Brief, den er an seinen Amtskollegen Daniel Ortega geschickt hatte. Darin hieß es: "Wir sind respektvoll und wollen versuchen, die Differenzen im Dialog zu lösen. Viele Oppositionelle aus anderen Ländern wählen Mexiko für den Dialog, weil es ein Land ist, das ihnen Freiheiten garantiert, und das ist im Grunde das, was wir wollen."

Die Regierung von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro kritisierte die Ausweisungen scharf, sie stellten einen Verstoß gegen unveräußerliche Rechte dar. "Die Republik Kolumbien hat mit Befremden die willkürlichen Maßnahmen zur Kenntnis genommen, die der Regierungschef der geschwisterlichen und leidgeprüften Republik Nicaragua gegen Bürger seines Landes ergriffen hat, deren einziges Verbrechen es war, die Demokratie, das Recht auf Kritik und die allgemeinen Menschenrechte zu verteidigen", so die Presseerklärung des Außenministeriums.

Auch die Regierung Argentiniens unter Präsident Alberto Fernández kündigte an, dass sie allen von Ausbürgerung betroffenen Oppositionellen die Staatsbürgerschaft verleihen könne. Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero erklärte: "Wenn [Sergio] Ramírez um die argentinische Staatsbürgerschaft bittet, werden wir sie ihm geben", und fügte hinzu: "für ihn und für alle, die unter dem leiden, was in Nicaragua geschieht".

Am vergangenen Dienstag hatte die Regierung Chiles auf Anweisung von Präsident Gabriel Boric bekanntgegeben, die betroffenen Nicaraguaner aufzunehmen. "Angesichts der jüngsten Entscheidung des nicaraguanischen Staates, mehr als dreihundert Nicaraguanern ihre Staatsangehörigkeit und ihre politischen Rechte zu entziehen, wird die chilenische Regierung die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten, um ihnen den wichtigen nötigen Schutz zu gewähren", heißt es in der Erklärung.

Eine der Betroffenen, die auch international bekannte Dichterin Gioconda Belli, gab am Donnerstag bekannt, dass sie das Angebot von Boric annehmen möchte. Dies bedeute jedoch nicht, dass sie den "Kampf für ihr Heimatland und ihre Wurzeln" aufgebe, so Belli, die in Spanien im Exil lebt.