Peru: Umstrittene Strafverfolgung Castillos und verstärkte Kriminalisierung der Proteste

Laut Anwälten kein ordnungsgemäßes, faires Verfahren gegen Castillo. Boluarte lehnt weiterhin Rücktritt ab und will Strafmaße für Delikte bei Protesten erhöhen

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Verschärfung der Kriminalisierung statt Rücktritt: "Dina Mörderin"  (Kollage Malú Ramahi/Andina)
Verschärfung der Kriminalisierung statt Rücktritt: "Dina Mörderin" (Kollage Malú Ramahi/Andina)

Lima/Puno. Die Rechtmäßigkeit der Strafverfolgung von Pedro Castillo, dem im Dezember abgesetzten und inhaftierten Präsidenten Perus, wird weiterhin angezweifelt. Sein Anwalt Eugenio Zaffaroni hat vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) die sofortige Freilassung Castillos und die Wiedereinsetzung ins Präsidentenamt gefordert.

Castillo ist seit dem 7. Dezember 2022 in der peruanischen Hauptstadt inhaftiert. Seine Familie fand in Mexiko Zuflucht. Ihm wird vorgeworfen, mit der Ankündigung das Parlament aufzulösen einen Staatsstreich eingeleitet zu haben, was den Tatbestand der Rebellion erfüllen könnte.

Seine Anwälte, sehen dies nicht gegeben und weisen den Vorwurf zurück, da es nicht zur Mobilisierung des Militärs kam. Sie machen vor der CIDH zudem eine Ungleichbehandlung vor dem Gesetz und Verzögerungen im Verfahren gegen Castillo geltend.

Der ehemalige Minister für Außenhandel und Tourismus in Castillos Regierung, Roberto Sánchez, sagt dazu: "Wie man auf internationaler Ebene sehen wird, wurde dieses Recht [auf eine ordnungsgemäßes, faires Verfahren] im Fall des Präsidenten Pedro Castillo nicht respektiert. Unparteiische Gerechtigkeit und nicht Hass sollte vorherrschen".

Angesichts dieser Klage vor der internationalen Instanz forderte Ministerpräsident Alberto Otárola das Parlament und die Justiz auf, das Verfahren gegen Castillo wegen möglicher Korruption zu beschleunigen, in das die externe Justiz nicht eingreifen würde. Noch am selben Tag billigte das Parlament die Anklage gegen Castillo wegen krimineller Vereinigung, Einflussnahme und geheimer Absprachen. Die Staatsanwaltschaft kündigte am vergangenen Dienstag die Einleitung von Ermittlungen an, die der Anklageerhebung vorausgehen.

Derweil weigert sich Dina Boluarte, eingesetzte Interimspräsidentin, das Präsidentenamt frühzeitig niederzulegen, den Weg freizumachen für Neuwahlen und damit einer zentralen Forderung der Protestierenden nachzukommen. Nach einem Treffen am vergangenen Montag mit verschiedenen Parteien im Kongress, erklärte der Parteivorsitzende der "Partido Morado", Luis Duran Rojo, gegenüber der Presse, die Staatschefin halte daran fest, dass ihre Regierung "keine Übergangsregierung" sei und dass sie im Amt bleiben solle, bis der Kongress über eine Vorverlegung der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen entscheide.

Boluarte treibt stattdessen die Kriminalisierung der Proteste voran. Am vergangenen Freitag übermittelte sie dem Kongress einen Gesetzentwurf, der Änderungen im Strafgesetzbuch vorsieht. Der Vorschlag zielt darauf ab, die Haftstrafen für Delikte zu erhöhen, die während des Ausnahmezustands begangen werden.

So soll in Zukunft eine "Behinderung des Funktionierens der öffentlichen Dienste" (Art. 283), "die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Personen oder die schwere Schädigung von öffentlichem oder privatem Eigentum" mit mindestens acht Jahren bestraft werden, bisher gelten Strafen von mindestens sechs Jahren. Die Frist für polizeilichen Gewahrsam soll von 24 Stunden auf 48 Stunden erhöht werden. Darüber hinaus sieht der Entwurf die Möglichkeit einer vorläufigen Festnahme für zehn Tage vor.

Im Fall von "Erpressung" (Art. 200) soll das Strafmaß mindestens sechs Jahre betragen. Politiker und der Regierung Boluarte nahestehende Personen haben darauf hingewiesen, dass dieses Delikt bei Personen vorliegt, die Straßen blockieren und den freien Verkehr behindern.

Der peruanische Strafrechtler Andy Carrión bezeichnet das Agieren der Regierung als eine "politisch-kriminelle Strategie", um die Repression im Rahmen des Ausnahmezustandes zu verstärken. Bei den landesweiten Protesten sind seit Dezember 2022 mehr als 60 Personen zu Tode gekommen.

Die Protestwelle im Land indes reißt nicht ab. Nach einem Bericht der Ombudsbehörde wurden zuletzt in neun Provinzen des Landes Mobilisierungen gemeldet, 35 Straßenblockaden wurden verzeichnet, alle im Departamento Puno (Südosten).

Laut Medienberichten organisieren sich Delegationen aus den 13 Provinzen des Departamentos Puno, um neue Gruppen nach Lima zu schicken und die Proteste fortzusetzen. Ende dieser Woche waren rund 20.000 Aymara in traditioneller Kleidung in der Regionalhauptstadt eingetroffen. Dies wird von Beobachter:innen als Zeichen der internen Organisation und eine Demonstration der kollektiven Entscheidung gewertet, die Proteste gegen die Regierung fortzusetzen.

Viele Aymara warnten vor einem "Bürgerkrieg", sollte die Regierung weiterhin das Militär in ihre Dörfer in Puno schicken. Sie bekräftigten ihren unbefristeten Streik und ihre Ablehnung der Regierung Boluarte. Begleitet von Musikkapellen und mit Bannern und Fahnen zogen sie durch die Straßen der Provinzhauptstadt und riefen in Sprechchören: "Wenn es keine Lösung gibt ‒ weiter Aymara-Streik" und "Wie viele Tote willst du, damit du zurücktrittst. Dina, Mörderin, das Volk lehnt dich ab".