Gericht in Nicaragua entzieht 94 weiteren Personen die Staatsbürgerschaft

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Sergio Ramírez retweetet einen Kommentar des chilenischen Präsidenten Gabriel Boric
Sergio Ramírez retweetet einen Kommentar des chilenischen Präsidenten Gabriel Boric

Managua. Ein Berufungsgericht in Nicaragua hat 94 Personen ihre Staatsbürgerschaft entzogen. Der Präsident des Gerichts, Ernesto Rodríguez, erklärte, dass die Betroffenen des Landesverrats beschuldigt wurden und sich durch ihren Aufenthalt im Ausland einem Verfahren vor der Justiz entzogen hatten. Ihnen wurden die Bürgerrechte aberkannt und sie wurden von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen. Außerdem soll ihr Besitz beschlagnahmt werden.

Eine Woche zuvor hatte die Justiz des mittelamerikanischen Landes mit der Freilassung und Ausweisung von 222 oppositionellen Gefangenen in die USA den gleichen Akt der Ausbürgerung verbunden (amerika21 berichtete).

Zu den nun Ausgebürgerten gehören auch international bekannte Personen wie die Schriftsteller Sergio Ramírez und Gioconda Belli, die Menschenrechtsanwältin Vilma Núñez vom Nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte (Cenidh) und der Journalist und Miteigentümer von oppositionellen Medien, Carlos Fernando Chamorro. Die Justiz in Nicaragua wie auch die Regierung von Präsident Daniel Ortega werfen ihnen die Mitwirkung an dem auch mit US-Geldern finanzierten Aufstandsversuchs im Frühjahr 2018 vor, in dessen Folge über 200 Todesopfer zu beklagen waren.

Der vorsitzende Richter erklärte, die Maßnahme diene dem Zweck, "den sozialen Frieden, die Rechtssicherheit, die Unabhängigkeit, die Souveränität und die Selbstbestimmung des Staates Nicaragua zu gewährleisten und insbesondere den Schutz der Gesellschaft zu garantieren". Als rechtliche Grundlagen werden das Gesetz 1055 über die Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung und die Sonderverordnung 1145 genannt, die den Verlust der Staatsangehörigkeit regelt.

Der dissidente Ex-Botschafter Nicaraguas bei der Organisation Amerikanischer Staaten, Arturo McFields Yescas, der im März 2022 von seinem Posten abberufen wurde (amerika21 berichtete), und der auch zu den 94 ausgebürgerten Personen gehört, schrieb, dass die nicaraguanische Staatsbürgerschaft durch territoriale Geburt oder Elternschaft weitergegeben werde. Alle anderen Eingriffe seien Illegal. Schriftsteller:innen aus aller Welt, unter ihnen Salman Rushdie und Mario Vargas Llosa, letzterer ein bekannter Exponent der lateinamerikanischen Rechten, haben in einem offenen Brief ausgedrückt, dass die Ausgebürgerten "Nicaraguaner sind und bleiben".

Das Parlament hatte mit der Sonderverordnung No. 1145 die rechtliche Grundlage für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft ausgeweitet, da eine entsprechende Regelung wegen "Verrat" zuvor nur für eingebürgerte Nicaraguaner:innen gegolten hatte.

Eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft widerspricht grundsätzlich den Bemühungen der Vereinten Nationen, Staatenlosigkeit zu verhindern. Das Abkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 unterstreicht, dass niemandem aus rassischen, ethnischen, religiösen oder politischen Gründen die Staatsangehörigkeit aberkannt werden darf. Nicaragua wird in der Liste der Unterzeichnerstaaten (2013) geführt.

Die vor einer Woche ausgewiesenen 222 Personen erhielten mit ihrer Abschiebung eine für zwei Jahre ausgestellte humanitäre Aufenthaltsgenehmigung in den USA, Spanien hatte ihnen unmittelbar seine Staatsbürgerschaft angeboten. Ein Teil der betroffenen Personen soll bereits über mehrere Pässe verfügt haben.