Mehr als 600.000 Familien in Bolivien von Wassermangel und Dürre betroffen

Wasserknappheit in sieben der neun Departamentos. Landwirtschaftliche Erzeugung stark beeinträchtigt. Klimakrise verändert Produktionszyklus

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Auch die Kartoffelernte ist von der Dürre betroffen
Auch die Kartoffelernte ist von der Dürre betroffen

Santiago/La Paz. In Bolivien sind die Hälfte der 336 Verwaltungsbezirke seit 2022 von anhaltender Dürre betroffen, 5.559 Gemeinden und 647.015 Familien leiden schwer darunter. Dies berichtete der stellvertretende bolivianische Außenminister Freddy Mamani bei den Regionalen Wasserdialogen der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik der Vereinten Nationen (Cepal) in Santiago de Chile.

90 Prozent der Naturkatastrophen weltweit hätten mit Wasser zu tun, während zehn Prozent der Weltbevölkerung in Ländern mit hohem oder kritischem Wasserstress lebten. In Lateinamerika sei aufgrund von Wassermangel der Klimawandel die größte Herausforderung, der sich die Region stellen müsse. Der ausbleibende Regen beeinträchtige die landwirtschaftliche Erzeugung auf 700.733 Hektar produktivem Land sowie 1,5 Millionen Rinder, vor allem in der Chaco-Region der Departementos Santa Cruz, Chuquisaca und Tarija. Dies werde sich auf die Ernährungssicherheit und -souveränität auswirken, warnte Mamani.

Von der Wasserknappheit sind inzwischen 168 Munizipien in sieben der neun Departementos des Landes betroffen: La Paz, Oruro, Santa Cruz, Cochabamba, Chuquisaca, Potosí und Tarija. Die einzigen Regionen ohne Niederschlags-Engpässe waren Pando und Beni.

Nach Angaben des Nationalen Dienstes für Meteorologie und Hydrologie wird die Dürre im Land vor allem im Westen bis zum ersten Quartal des Jahres anhalten. Im Osten und in Teilen des Amazonasgebietes werden schwere Regenfälle teilweise mit Überschwemmungen erwartet. Dies ist das dritte Jahr seit 2020, in dem die Region mit dem La-Niña-Wetterphänomen konfrontiert ist.

Die Regierung von Präsident Luis Arce hat indes einen Hilfeplan in Höhe von 122 Millionen Bolivianos (rund 17 Millionen US-Dollar) aufgelegt, um die betroffenen Gemeinden zu unterstützen. Das Nationale Programm zur Bewältigung der Dürre wird im Wesentlichen für die Bereitstellung von Wasser, Ausrüstung und Infrastruktur sowie zur Unterstützung von Landwirt:innen mit Viehfutter und Saatgut durchgeführt.

18 Gemeinden im Departamento La Paz erhielten staatliche Soforthilfe in Form von Wasserspeichern und Schläuchen zur landwirtschaftlichen Bewässerung sowie 205 Wassertank-Fahrzeuge, Geräte zum Brunnenbohren, Dünger und andere Hilfsmittel. Verteidigungsminister Edmundo Novillo empfahl den lokalen Behörden, sich an das Vizeministerium für Zivilschutz zu wenden, um betroffenen Familien Unterstützung zukommen zu lassen.

Präsident Arce erklärte, die Klimakrise betreffe nicht nur Bolivien, sondern die gesamte Region und die Welt und verändere den Produktionszyklus. Daher müssten eine Reihe von Reaktions- und Notfallmaßnahmen ergriffen werden. Er kündigte zwei Programme zur Unterstützung des Agrarsektors an: eines zum Bau von Dämmen und Brunnen sowie eines zum Bau von Gewächshäusern im Hochland, um unabhängig von Regenfällen zu werden, dem Frost entgegenzuwirken und so die Nahrungsmittelproduktion zu gewährleisten.Die Klimakrise betreffe nicht nur Bolivien, sondern die gesamte Region und die Welt, so Arce weiter.

Mamani wies in Santiago auch darauf hin, dass die Klimaanpassung im Wassersektor beträchtliche finanzielle Mittel erfordere, um Klimaresilienz zu erreichen. Er vertrat die Ansicht, dass die Industrieländer ihre Zusammenarbeit auf diese Herausforderung ausrichten sollten. Der Vizeaußenminister betonte zudem, dass neuen Versuchen zur Kommerzialisierung von Wasser und anderen Umweltleistungen entgegengetreten werden müsse.

Die indigenen Völker sind hinsichtlich Wasserversorgung in einer besonders verletzlichen Situation. In Lateinamerika und der Karibik leben über 58 Millionen Indigene aus 857 Völkern, die 20 Prozent des am besten erhaltenen Territoriums der Region bewohnen. Bolivien hat 36 indigene Nationen anerkannt.

Die Länder der Andengemeinschaft (Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru) verfügen über 20 Prozent der biologischen Vielfalt des Planeten, zehn Prozent des weltweiten Süßwassers und 33 Prozent der Waldfläche der Erde, erklärte deren Generalsekretär Jorge Hernando.

Auf Initiative Boliviens hin haben die Vereinten Nationen 2010 das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung anerkannt.