Vorwurf der Sklaverei in Brasilien: Online-Petition fordert Opferfonds von VW

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VW werden Menschenrechtsverletzungen an Leiharbeitern vorgeworfen, die für Rodungsarbeiten eingesetzt waren
VW werden Menschenrechtsverletzungen an Leiharbeitern vorgeworfen, die für Rodungsarbeiten eingesetzt waren

Freiburg/Rio de Janeiro. In Brasilien wird gegen die Volkswagen AG wegen Sklavenarbeit ermittelt. Eine Online-Petition aus Freiburg möchte erwirken, dass der Konzern seine Schuld an Menschenrechtsverletzungen an brasilianischen Landarbeitern anerkennt.

Die Brasilieninitiative Freiburg e.V. hat eine Online-Petition gestartet, die Anfang März 2023 an Manfred Döss, VW-Vorstand für Integrität und Recht, übergeben werden soll. Die Forderung: VW soll einen Opferfonds einrichten und ehemaligen Landarbeitern auf der firmeneigenen Rinderfarm Fazenda Vale do Rio Cristalino Entschädigungen auszahlen.

Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1974 bis 1986, als VW do Brasil die Rinderfarm Rio Cristalino erwarb und betrieb ‒ steuerlich durch die Sudam-Abschreibungsmöglichkeiten in Amazonien begünstigt ‒ und dort zu einem der größten Rinderproduzenten aufsteigen wollte.

In diesem Zeitraum "ist es in Brasilien zu schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen gekommen", heißt es im Petitions-Text. 600 bis 1.200 Wanderarbeiter, zu 90 Prozent Analphabeten, arbeiteten demnach in einem System der Schuldknechtschaft, bewacht von einem privaten Sicherheitsdienst. Arbeiter seien geschlagen, gedemütigt und eingesperrt worden. Sie mussten ihr Zelt, ihre Verpflegung und ihren Transport selbst zahlen, und waren so von Anfang an verschuldet. Die Menschen waren rechtlos, ohne Erlaubnis die Farm zu verlassen.

Die Landarbeiter hätten sich in vollständiger wirtschaftlicher und arbeitsrechtlicher Abhängigkeit von den sogenannten "Gatos" (Katzen) befunden. Eine portugiesische Bezeichnung für die Subunternehmer, die für VW brasilianische Arbeiter angeheuert hatten und den Betrieb auf der Rinderfarm organisierten.

Der brasilianische Priester Ricardo Rezende gewährte drei Landarbeitern Schutz, die von der Farm fliehen konnten. Der 70-Jährige ist heute Hochschullehrer für Menschenrechte und Anthropologie an der UFRJ Rio de Janeiro. Er leitet die Arbeitsgruppe "Zeitgenössische Sklavenarbeit". In den 1980er-Jahren stieß er eine polizeiliche Untersuchung an, ließ Zeugenaussagen notariell beglaubigen und sammelte weitere Beweise für die unmenschliche Behandlung im VW-Betrieb. Viele Fälle wurden dokumentiert, für VW blieb das folgenlos. Friedrich-Georg Brügger, Schweizer Staatsbürger und damaliger Manager der Rinderfarm, sieht keine Ungerechtigkeiten.

2022 hat die brasilianische Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen gegen VW aufgenommen. Es geht in Hunderten von Fällen um Menschenhandel, systematische Menschenrechtsverletzungen, sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse und Sklavenarbeit.

Mehrmalige Begegnungen zwischen Staatsanwaltschaft und Vertretern von VW sind letztes Jahr ergebnislos verlaufen. Das nächste Treffen soll am 29. März stattfinden.

Die Brasilien-Initiative Freiburg plant die Online-Petition mit Unterstützerliste Anfang März 2023 an VW-Manager Döss zu übergeben.

Die Online-Petition soll den Verantwortlichen bei VW deutlich machen, dass die Verschleppungstaktik des Konzerns auf Unverständnis stößt. Laut Ermittlungsakten der brasilianischen Staatsanwaltschaft wusste der Vorstand des VW-Konzerns über die Menschenrechtsverletzungen auf seiner Rinderfarm im Bundesstaat Pará Bescheid – hat aber nicht gehandelt.