Menschenrechtler:innen in Peru prangern "Massaker" bei Protesten an: 19 Tote

Todesfälle bei Repression der Demonstrationen hören nicht auf. De-facto-Regierung beschuldigt den inhaftierten Präsidenten Castillo, Proteste zu schüren

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Seit dem Amtsantritt Boluartes werden 47 Tote infolge staatlicher Repression gegen Demonstrierende verzeichnet
Seit dem Amtsantritt Boluartes werden 47 Tote infolge staatlicher Repression gegen Demonstrierende verzeichnet

Lima/Puno. Bei den jüngsten Protesten gegen Perus neue Regierung sind in der Stadt Juliaca bei Polizeieinsätzen 19 Menschen getötet worden. Die Exekutivsekretärin der Nationalen Menschenrechtskoordination Perus, Jennie Dador, machte die staatlichen Sicherheitskräfte für die "wahllose Gewaltanwendung" und die Todesfälle in der Hauptstadt des Departamento Puno verantwortlich. "Was gestern geschah, war wirklich ein Massaker", sagte sie am Dienstag, und: "Es waren außergerichtliche Exekutionen"

Seit dem Amtsantritt von Präsidentin Dina Boluarte am 7. Dezember 2022 werden 47 Tote infolge staatlicher Repression gegen Demonstrierende verzeichnet. Das Departamento Puno ist zum jüngsten Epizentrum der Gewalt geworden.

Der peruanische Premierminister und ehemalige Verteidigungsminister, Alberto Otárola, kündigte nach den Geschehnissen in Julianca eine dreitägige Ausgangssperre in Puno an. In einer Fernsehansprache, die er zusammen mit einer Gruppe von Minister:innen hielt, führte Otárola die Ereignisse in Juliaca auf einen "massiven und organisierten Angriff auf die Polizei" zurück. Die Todesfälle seien "Ausdruck der direkten Verantwortung derjenigen, die einen Staatsstreich durchführen wollen". Außerdem deutete der Premierminister an, dass der seit Anfang Dezember inhaftierte Präsident Pedro Castillo die Proteste schüre und koordiniere.

In einem offenen Brief an die Bevölkerung verurteilte der "Runde Tisch zur Armutsbekämpfung in Puno" die staatliche Gewalt in Juliaca und wies darauf hin, dass die am Montag vorgetragene Version der Minister:innen "nicht der Wahrheit entspricht".

"Angesichts der wiederholten Äußerungen der Verachtung seitens der Regierungsvertreter und der Nichtanerkennung ihrer Verantwortung für diese Ereignisse, die sich nicht nur in Juliaca, sondern auch in Ayacucho, Apurimac, Arequipa, Cusco und anderen Orten abgespielt haben, fordern wir Versöhnung und Wiedergutmachung, die in konkreten und aufrichtigen Taten zum Ausdruck kommen", heißt es in dem Brief.

Dies seien nicht die einzigen Menschenrechtsverletzungen, für die sich die neue Regierung verantworten müsse. Die Kriminalisierung der Proteste zeige sich auch durch willkürliche Massenverhaftungen. Allein letztes Wochenende seien 200 Personen festgenommen worden, darunter auch Kinder, klagte Jennie Dador. All das habe sie bei der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten, CIDH, angeprangert.

Am Mittwoch traf eine CIDH-Delegation in Lima ein und sprach unter anderem mit Präsidentin Dina Boluarte und Vertreter:innen von Menschenrechtsorganisationen, bevor sie nach Arequipa reiste, wo sie mit Verletzten und Angehörigen der bei den sozialen Protesten Getöteten zusammentraf.

Der Gouverneur von Puno, Richard Hancco Soncco, kündigte indes die Einleitung von Untersuchungen zu den Todesumständen bei den Protesten an. Demnach wurden alle bisher ermittelten Todesfälle in Juliaca durch Kugeln aus Schusswaffen der Streitkräfte verursacht. Dies bestätigte Jorge Chavez Cotrina, Leiter der Staatsanwaltschaft gegen das Organisierte Verbrechen. Er versicherte, dass seine Behörde Ermittlungen wegen Tötung und Körperverletzung durchführe.

Soziale Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen befürchten indes, dass es in Puno aufgrund von Unregelmäßigkeiten beim Ausfüllen der Totenscheinen mehr Opfer gibt als offiziell bestätigt.

In insgesamt 32 Provinzen gehen die Proteste und Straßenblockaden gegen die aktuelle Regierung und die staatliche Gewalt weiter. Am Mittwochabend meldete das peruanische Ombudsbüro den Tod von Remo Candia Guevara, dem Vorsitzenden der Bäuer:innengemeinde von Anta. Cania sei bei den jüngsten Protesten in der Stadt Cusco an den Folgen einer Schussverletzung verstorben.

Mittlerweile hat der Kongress mit 71 Ja- und 45 Nein-Stimmen die Einsetzung einer Ermittlungskommission zu den Menschenrechtsverletzungen gebilligt, die seit dem 7. Dezember 2022 von Sicherheitskräften begangen worden sind.