Brasilien: Geschäftsleute sollen hinter den Massendemos für Neuwahlen stecken

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Transparent: "Sofortige Bundesintervention". Ermittlungen widersprechen Version von spontanten Demonstrationen
Transparent: "Sofortige Bundesintervention". Ermittlungen widersprechen Version von spontanten Demonstrationen

Brasília. Wegen der Mobilisierung von Anhänger:innen des amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen verdächtigt die brasilianische Justiz 43 Personen und Unternehmen der Anstiftung, Unterstützung, Teilnahme und Finanzierung von "antidemokratischen Aktionen". Die Liste der Verdächtigen wird von Geschäftsleuten des Agrarsektors angeführt. Bei der Stichwahl im Oktober gewann Luiz Inácio Lula da Silva mit 50,8 Prozent der Stimmen gegen Bolsonaro.

Der Richter des Obersten Gerichtshofs (STF), Alexandre de Moraes, hat daraufhin die Sperrung ihrer Bankkonten angeordnet. Die Maßnahme sei seiner Ansicht nach "notwendig, angemessen und dringend, da die Möglichkeit besteht, dass die Mittel für die Finanzierung illegaler und antidemokratischer Handlungen verwendet werden".

Die Ermittlungen widersprechen der Version Bolsonaros, wonach die Demonstrationen und Blockaden spontaner Natur seien, ohne jegliche finanzielle oder politische Unterstützung. Den Informationen der Justiz zufolge sind die Verdächtigen für die Blockierung von Alleen, Autobahnen und Straßen in verschiedenen Regionen des Landes verantwortlich.

Nach Ansicht des Richters haben die demonstrierenden Bolsonarist:innen gegen das Recht auf friedliche Versammlung verstoßen. Sie hätten "die Nichtbeachtung und Missachtung des Wahlergebnisses" propagiert. Mit Lastwagen nach Brasília zu fahren sowie die Teilnahme an einer "rechtswidrigen Versammlung in der Nähe des Armeehauptquartiers mit dem Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung zu brechen", könne als gewaltsame Aufhebung des demokratischen Rechtsstaates interpretiert werden, vermerkte Moraes. Dies sei ein Delikt.

Laut der Bundespolizei für Landstraßen finanzierten die Unternehmer:innen die Logistik der Aktionen von Bolsonarist:innen, indem sie ihnen Mahlzeiten und Toiletten zur Verfügung stellten. Wie der STF-Richter anmerkte, erfordere ein solches Szenario "eine absolut angemessene Reaktion des Staates, um die Wahrung der Grundrechte zu gewährleisten und den möglichen wirtschaftlichen Einfluss auf die Verbreitung antidemokratischer Ideale und Handlungen zu unterbinden".

Die mutmaßlichen Hauptorganisator:innen und Geldgeber:innen der Demonstrationen gehören zum persönlichen Umfeld von Bolsonaro, zu dem sie ebenso Verbindungen pflegen wie zur Agrarindustrie. Ein Sektor, der besonders von den Maßnahmen der aktuellen Regierung profitiert hat.

Beispiele sind die Agroindustriellen Jorge José de Moura, auch "Sojabohnenkönig" genannt, und Henrique Luís Cardoso Neto. Sie standen an der Spitze der Streiks im Bundesstaat Acre und veranlassten persönlich die Sperrung der Autobahn BR 364. Sie nahmen Videos auf und bewegten die lokale Bevölkerung zu Demonstrationen vor dem Armeehauptquartier. Moura wurde am 10. November 2021 in Xapuri wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet.

Ebenso sind laut Militärpolizei des Bundesstaats Minas Gerais der Geschäftsmann der Textilbranche Esdras Jonatas dos Santos und der Manager der Kosmetikfirma Dicabelo, Cristiano Rodrigues dos Reis, die Hauptverantwortlichen für lokale Protestaktionen. Reis ist Anführer der "Rechten Bewegung Belo Horizonte" (Movemento Dereita Belo Horizonte) und steht Vertrauten von Bolsonaro, wie dem gewählten Senator Damares Alves, nahe.

Im Bundesstaat Goiás macht das Arbeitsgericht den Viehzüchter Victor Cezar Priori für die Finanzierung antidemokratischer Proteste verantwortlich. Der Unternehmer wurde dabei ertappt, wie er seine Angestellten zwang, sich an den Demonstrationen zu beteiligen und bei der Blockade von Autobahnen während der Arbeitszeit mitzuwirken. "Meine Betriebe sind alle geschlossen, von allen Haziendas sind Leute auf den Autobahnen, auch die Lastwagen, alle arbeiten zusammen", sagte Priori in einem Video, das Teil des Ermittlungsverfahrens gegen den Landwirt vor dem Arbeitsgericht ist.

Auch Angehörige der Sicherheitskräfte, der Kriminal- und Militärpolizei und Abgeordnete aus verschiedenen Bundesstaaten stehen auf der Liste von Moraes.