Ecuador: Verhandlungen über Streikforderungen beendet, aber viele Fragen bleiben offen

Keine Einigung in zentralen Punkten wie Privatisierung kritischer Infrastruktur, Treibstoffpreise und Kriminalisierung sozialer Proteste

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Zum Abschluss der Verhandlungen fand am 14. Oktober eine feierliche Zeremonie statt. Präsident Lasso ließ sich nicht blicken
Zum Abschluss der Verhandlungen fand am 14. Oktober eine feierliche Zeremonie statt. Präsident Lasso ließ sich nicht blicken

Quito. Nach dem Abschluss ihrer Verhandlungen haben Vertreter:innen der ecuadorianischen Regierung und der wichtigsten indigenen Organisationen des Landes sich getroffen, um zu erörtern, wie die getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden sollen.

Beide Seiten hatten diese in den letzten drei Monaten erarbeitet. Verhandelt wurde über eine Reihe von sozialpolitischen und ökologischen Forderungen, die von der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) aufgestellt und von zahlreichen Gewerkschaften, Studierenden sowie politischen und sozialen Organisationen unterstützt wurden.

Vorausgegangen waren landesweite Streiks, Demonstrationen und Straßenblockaden. Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften kamen mindestens acht Personen zu Tode, zahllose weitere wurden verletzt (amerika21 berichtete).

Bei dem Treffen am vergangenen Mittwoch waren sich die verhandelnden Parteien einig, dass beide Seiten dazu beitragen müssen, die Vereinbarungen zu erfüllen. Die dafür zuständige Kommission soll alle zwei Monate einberufen werden und sich aus vier Delegierten der Regierung, sowie je zwei der indigenen Organisationen zusammensetzen. Außer der Conaie sind das die Räte der Evangelischen Indigenen Völker und Organisationen Ecuadors (Feine) und die Nationale Konföderation der Bauern, Indigenen und Afroecuadorianischen Organisationen (Fenocin).

Mariana Yumbay, Vertreterin der Conaie, betonte die Bedeutung dieses Prozesses, um zu überprüfen, ob die Regierung die Vereinbarungen einhält, auch wenn viele Themen noch nicht geklärt seien.

Besonders Regierungsvertreter:innen hoben die Erfolge der Verhandlungen hervor, wie Regierungsminister Francisco Jiménez, der von einem "historischen Moment" sprach und auf die 218 Abmachungen verwies, die getroffen wurden.,

Viele Punkte sind jedoch offen, so etwa die Verletzungen der Arbeitnehmer:innenrechte, die Wiedereinstellung der Ärzt:innen, die während der Corona- Pandemie entlassen wurden und die Kriminalisierung der sozialen Proteste. Ebenso konnten keine abschließenden Einigungen erzielt werden, wie es um die Privatisierung kritischer Infrastruktur steht. Ob die Angehörigen der getöteten Demonstrierenden eine Entschädigung bekommen, ist ebenfalls ungeklärt.

Die wohl elementarste Frage ist jedoch die nach der Subventionierung der Treibstoffe. Daran hatten sich bereits im Oktober 2019 massive Proteste entzündet und auch für die Streiks im Juni waren sie der Auslöser. Gary Espinosa, Präsident der Fenocin, beklagte, dass die Regierung davon spreche, die Bedürftigen zu unterstützen, während in Wirklichkeit die Reichen profitieren würden.

Conaie, Fenocin und Feine fordern unter anderem einen Fokus auf die Entlastung der armen ländlichen Bevölkerung, sowie eine radikale Kürzung der Subventionen in der Fischerei- und Garnelenindustrie, die nur noch kleinen Unternehmen zu gut kommen sollen – wogegen der Präsident der Nationalen Fischereikammer prompt unter Hinweis auf die Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit protestierte. Die Regierung zeigt sich bislang ebenfalls wenig entgegenkommend. Darío Herra, Minister für Verkehr und öffentliche Arbeiten bezeichnete die Haltung der indigenen Organisationen als "Alles oder Nichts" und nannte die Conaie "unnachgiebig".

Ebenfalls unklar ist wie hoch der Preis für Treibstoff in Zukunft sein soll. Eine vollständige Liberalisierung wird nicht angestrebt, sondern ein System mit Mindest- und Höchstpreisen. Die indigenen Organisationen fordern eine Preisspanne zwischen 1,90 und 1,95 Dollar pro Gallone, was deutlich mehr ist, als die bislang festgesetzten 1,75 Dollar. Durch diese erhöhten Preise sollen Subventionen für Bedürftige finanziert werden, zu denen besonders die indigene Bevölkerung im ländlichen Raum gehört.

Geklärt werden konnte jedoch immerhin, welche Personen- bzw. Fahrzeuggruppen von den allgemeinen, nicht sektorbezogenen, Subventionen ausgeschlossen werden sollen. Dies soll etwa für Fahrzeuge greifen, die eine bestimmte Hubraumgröße, abhängig von der Fahrzeugklasse überschreiten, oder für Fahrzeughalter:innen die über ein monatliches Einkommen von mehr als 3.466 Dollar verfügen.

Die Widersprüche zwischen den Gesprächsparteien zeigen sich nicht nur bei den ungeklärten Verhandlungspunkten, sondern auch jenseits der Konferenzräume. Zwar trafen sich beide Seiten zur Beendigung der Verhandlungen am 14. Oktober zu einer feierlichen Zeremonie, aber die Conaie behält sich "weitere Schritte" vor, da ihre Hauptforderungen ignoriert wurden und zeigte sich erzürnt darüber, dass Staatspräsident Guillermo Lasso nicht an der Abschlusszeremonie teilnahm.

Leonidas Iza, Vorsitzender der Conaie, nannte Lasso aufgrund dessen einen Feigling und warf der Regierung außerdem Rassismus vor, den sie nütze, um ihre Gegner:innen zu diskriminieren und zu kriminalisieren. Er schloss weitere Proteste und Streiks nicht aus.

Lasso hingegen sieht Iza als den Hauptschuldigen für die wirtschaftlichen und politischen Probleme im Land und spricht in diesem Zusammenhang vom "Iza-Effekt".

Die Konflikte sind offenkundig. Eine weitere Gesprächsrunde ist bereits für den 25. Oktober angesetzt.