Brasilien / Politik

Razzia bei acht Unternehmern in Brasilien: Sammlungsbewegung für einen Putschversuch?

Multimillionäre sind bekannte Anhänger von Bolsonaro. Gegen den Präsidenten wird jetzt wegen seiner Angriffe auf das Wahlsystem ermittelt

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Unter den Verdächtigen ist der ultrarechte Unternehmer und Bolsonaro-Verbündete Luciano Hang (rechts)
Unter den Verdächtigen ist der ultrarechte Unternehmer und Bolsonaro-Verbündete Luciano Hang (rechts)

Brasília. Ein Richter des Obersten Gerichts von Brasilien hat am Dienstag bei acht bekannten Unternehmern Hausdurchsuchungen angeordnet. Sie hatten vermittels einer WhatsApp-Gruppe Pläne für einen Staatsstreich diskutiert, den sie im Falle eines Wahlsieges des linken Präsidentschaftskandidaten und früheren Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in Gang setzen wollten.

Die acht Multimillionäre sind Anhänger des gegenwärtigen ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro. Es handelt sich um Luciano Hang, Inhaber der Kaufhauskette Havan, Meyer Nigri vom Bauunternehmen Tecnisa, Afranio Barreira Filho von der Restaurantkette Cocobambú, Ivan Wrobel vom Bauunternehmen W3 Engenharia, José Peres vom Einkaufszentrumsriesen Multiplan, Marco Raymundo vom Surfmulti Mormaii sowie die Magnaten Luiz Tissot und José Koury von der Sierra Group, einem Luxusmöbelhersteller. Der bekannteste ist wohl Hang, der 2022 in der Forbes-Rangliste der Milliardäre als zehntreichster Brasilianer geführt wird.

Die Razzien wurden von Alexandre de Moraes angeordnet, der bereits gegen den Präsidenten wegen der Verbreitung von "Fake News" und wegen "Angriffs auf die Demokratie" ermittelt. Moraes ist auch der Leiter des Obersten Wahlgerichts des Landes.

Der Richter ließ zudem die Accounts der acht Verdächtigen bei sozialen Netzwerken sperren, ihre Mobiltelefone beschlagnahmen und ordnete die Aufhebung des Bank- und Telekommunikationsgeheimnisses an.

Einige der Unternehmer, wie Hang, profilierten sich bereits vor den Wahlen 2018 als Unterstützer des neoliberalen Bolsonaro.

Die bisherigen Umfrageergebnisse zeigten den Kandidaten Lula mit den größten Gewinnchancen, obwohl Bolsonaro in den vergangenen Wochen etwas aufgeholt hatte (44 Prozent für Lula, 32 Prozent für Bolsonaro).

Bereits bei der letzten Wahlkampagne zog Bolsonaro alle Register von Fake-Kampagnen und erreichte nur durch einen "justiziellen Putsch" gegen Lula die Wahl zum Präsidenten: In einem Komplott zog man seinen Konkurrenten durch falsche Anklagen aus dem Verkehr, der gut zwei Jahre lang unschuldig in Haft blieb. 

Auf Bolsonaro warten im Fall seiner Niederlage mehrere noch laufende Verfahren. Ihm werden Verstöße gegen das Wahlgesetz vorgeworfen. Doch auch ein immer noch ungeklärter Mordfall an Marielle Franco, einer Stadträtin aus Rio de Janeiro, wird mit ihm und seinen Söhnen in Verbindung gebracht.

Im aktuellen Wahlkampf ließ er mehrfach durchblicken, dass er das Wahlergebnis womöglich nicht anerkennen würde, da das elektronische System der Stimmabgabe manipulierbar sei und nicht vertrauenswürdig –  und das, obwohl Bolsonaro selbst damit gewählt wurde.

Auf einer Pressekonferenz bezeichnete der Präsident den Anlass der Razzia bei seinen Unternehmerfreunden als "Fake News". Die immer stärker vorgetragenen Forderungen seiner Anhänger nach einem Putsch verteidigte er als "Teil der freien Meinungsäußerung". 

Während eines Fernsehinterviews im Kanal "O Globo", das von neun Millionen Zuschauern verfolgt wurde, wiederholte er seine Aussagen über die Wahlsysteme und entschuldigte damit die Parolen seiner Anhänger, die ihn aufforderten, den Kongress und den Obersten Bundesgerichtshof zu schließen und einen Staatsstreich durchzuführen. "Das Ergebnis wird respektiert werden, sofern die Wahlurnen sauber und transparent sind", sagte Bolsonaro während seines 40-minütigen Auftritts in Brasiliens bekanntester journalistischen Sendung, Globo's Jornal Nacional.

Nur einen Tag nach den Hausdurchsuchungen gab das Oberste Wahlgericht am Mittwoch bekannt, Ermittlungen gegen Bolsonaro wegen seiner haltlosen Aussagen über das System der Stimmabgabe einzuleiten.

Zudem ordnete Richter Mauro Campbell Marques vom Obersten Wahlgericht an, ein Video aus den sozialen Medien zu entfernen, das zeigt, wie Bolsonaro auf einem Treffen mit Botschaftern aus 72 Ländern die elektronischen Wahlsysteme im Land kritisiert und ihnen Fehleranfälligkeit unterstellt. Campbell Marques gab den verschiedenen Plattformen wie Facebook, Instagram und Youtube dafür 24 Stunden Zeit.

Er erklärte, dass die von Bolsonaro getätigten Aussagen dem Vertrauen in die Wahlprozesse bereits geschadet hätten ‒ und das, obwohl sich das Verfahren seit 1996 bewährt habe und fehlerfrei funktionierte.