Brasilien / Politik

Oktober-Wahlen in Brasilien: Lula Favorit, Bolsonaro holt auf

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Lula da Silva bei einem Wahlkampfauftritt im August
Lula da Silva bei einem Wahlkampfauftritt im August

Brasília. Das Mitte-Links-Wahlbündnis "Hoffnung Brasilien" hat Luiz Inácio da Silva (Lula) offiziell als Kandidaten für die Präsidentschaft Brasiliens bei den Wahlen am 2. Oktober registrieren lassen. Der frühere Bürgermeister der Millionenstadt São Paulo, Geraldo Alckmin (PSB), ist Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten.

Die breite Koalition aus neun Parteien soll das politische Kräfteverhältnis wiederherstellen, das vor dem parlamentarischen Putsch gegen Dilma Rousseff und der illegalen Verhaftung von Lula da Silva bestand. Zum Bündnis gehören neben der Arbeiterpartei (PT) auch die Sozialistische Partei (PSB), die Kommunistische Partei (PCB), die Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL), die Grüne Partei (PV) sowie die Parteien Netzwerk, Solidarität, Vorwärts und Handeln.

Im Vorwort des offiziellen Wahlprogramms heißt es, die "Demokratie, der Wiederaufbau des Staates und die Souveränität des Landes" seien das Gebot der Stunde. Die 21-Seiten starke Schrift enthält zentrale Themen wie etwa den Kampf gegen die Privatisierung von Staatsbetrieben (Petrobras, Eletrobras und die Post) und das Wiederbeleben der großen Sozialprogramme Bolsa Familia (Lebensmitteltasche) und "Fame Zero" (Null Hunger). Lula da Silva hatte sie während seiner ersten Amtszeit (2003-2006) ins Leben gerufen. Sie sollen reformiert und ausgeweitet werden.

"Bolsa Familia" konnte zusammen mit der Kampagne "Fame Zero" die Armut von Millionen Menschen stark mindern. Vor allem die Kinderarbeit und die Unterernährung von Kindern und Jugendlichen wurden in diesen Jahren in großem Ausmaß zurückgedrängt. Die Regierung von Jair Bolsonaro hat diese Programme danach weitgehend zurückgenommen.

Die Umweltpolitik Bolsonaros wird in Lulas Programm als katastrophal bezeichnet. Die Koalition verspricht, Umweltdelikte strafrechtlich stärker zu verfolgen und erinnert an die riesigen Waldbrände 2019, mit denen unter der Regierung Bolsonaro Tausende von Quadratkilometern Tropenwald in Ackerland für Agrarkonzerne umgewandelt wurden.

Die "Hoffnung Brasilien" will zudem die seit Jahrzehnten vor allem von Tausenden landlosen Bauern geforderte Agrarreform endlich durchsetzen. Das Thema gehört zu den großen historischen Konflikten nicht nur in Brasilien, sondern in ganz Lateinamerika.

In der Außenpolitik vertritt die Koalition Lulas die internationale Süd-Süd-Kooperation und engagiert sich für die regionale Integration. "Die Verteidigung unserer Souveränität ist die Verteidigung der Integration von Südamerika, Lateinamerika und der Karibik", betont der linke Präsidentschaftskandidat.

Er weckt damit die Erinnerung an das "golden Zeitalter" der engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit von überwiegend progressiven Regierungen in Südamerika. Sie brachte es in den ersten 15 Jahren des neuen Jahrtausends zu einem stabilen Aufwärtstrend in der regionalen Entwicklung. Geostrategisch hatten die Staaten damals auf Neutralität und Friedenspolitik gesetzt, indem sie ihren Kontinent 2014 feierlich zur "Friedenszone" erklärten.

Laut einer demografischen Studie von Datafolha vom 28. Juli ist Lula mit 47 Prozent der Wählerabsichten der Top-Favorit für die Wahlen im Oktober – deutlich vor Bolsonaro (29 Prozent). Allerdings gibt es in den neuesten Umfragedaten Verschiebungen zugunsten des Amtsinhabers. Während sich bei den Ärmsten der Abstand zwischen Lula und Bolsonaro verringert (er fiel von 33 auf 27 Punkte), steigt er bei den reichsten Bolsonaro-Anhängern (von 4 auf 13 Punkte).

Zur Wahltaktik Bolsonaros gehört es, Banken, Versicherungen, Industrielle und Agrarunternehmer zu bitten, von Lula Abstand zu nehmen. In Bezug auf die Armen versprach er einige mehrmonatige Geldgeschenke, jedoch nur für den Zeitraum des Wahlkampfes ab August bis Ende November. Der Präsident will dafür 9,7 Milliarden Dollar ausgeben. Damit sollen über 20 Millionen Menschen Brasiliens eine kurzfristige Nothilfe von 117 US-Dollar erhalten. Die Armut betrifft heute 24 Prozent der Bevölkerung in den Großstädten.

Lula da Silva sagte dazu: "Es gibt keinen Präzedenzfall in der Geschichte Brasiliens von jemandem, der 57 Tage vor den Wahlen beschließt, 50 Milliarden Reais als soziale Unterstützung zu verteilen, die nur bis zum Dezember andauert."