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Brasilien: Regierung Bolsonaro und Verbündete beschließen massiven Angriff auf Arbeitnehmerrechte

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Gewerkschaftsverbände in Brasilien kämpfen gegen Angriff auf Arbeitsrechte.
Gewerkschaftsverbände in Brasilien kämpfen gegen Angriff auf Arbeitsrechte.

Brasília. Das brasilianische Parlament und die Regierung haben das Arbeitsrecht (CLT) reformiert und massive Einschnitte in die Arbeitnehmerrechte beschlossen. Am Mittwoch stimmten beide Parlamentskammern einem Gesetzesvorschlag der Regierung (PLV 21/2022) zu, die Regelung für das Home-Office zu ändern. Zukünftig dürfen Arbeitgeber:innen die Angestellten im Home-Office mit Werkverträgen ausstatten und auf die Kontrolle der Arbeitszeiterfassung verzichten. Die fehlende Kontrolle ermöglicht Unternehmen, die maximale Tages- oder Wochenarbeitszeit der Angestellten zu missachten.

Gewerkschaften und linke Parteien befürchten, dies könnte zur Entgrenzung der Arbeitszeit und damit unter dem Strich zu Lohneinbußen führen. Durch die Änderungen hätten Arbeitnehmer:innen keine rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen ein zu hohes Arbeitspensum zu wehren.

Gleichzeitig würden so Formen der Selbstständigkeit die herkömmlichen Lohnarbeitsverhältnisse ersetzen und die Arbeiter:innenschaft weiter atomisieren. Zudem erlaubt das neue Gesetz Unternehmer:innen, mit Angestellten im Home-Office individuelle Verträge auszuhandeln, ohne die branchen- oder betriebsüblichen Regelungen zu beachten. Unternehmen säßen am längeren Hebel, wenn es darum geht, die eigenen Interessen in Arbeitspapieren zu berücksichtigen, warnen Gewerkschafter:innen und verweisen auf bisherige Erfahrungen.

Die linksgerichtete Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) hatte mit einem Gegenantrag versucht, die Pflicht zur Arbeitszeitkontrolle sowie die zeitliche Begrenzung der Wochenarbeitszeit beizubehalten. Die konservative Senatsmehrheit stimmte jedoch mit 28 zu 21 gegen ihren Vorschlag.

Die Opposition weist ferner darauf hin, dass die Regierung die tiefgreifende Veränderung der Arbeitswelt durch die Hintertür einbringe. "Die Gesetzesänderung schafft Arbeitsrechte ab und sollte darum als eigenständiges Gesetz das Parlament passieren, damit eine Debatte stattfinden kann", kritisierte der Senator Paulo Paim (PT). Linke Parlamentarier:innen kritisierten zudem, dass die Regierungsfraktionen die Auseinandersetzung mit dem in der Bevölkerung unpopulären Projekt verhinderten, indem sie die Reform dem Parlament kurzfristig zur Abstimmung vorlegten.

Tatsächlich hatte deren Vertreter im Senat, Flávio Bolsonaro (PL-RJ), Sohn des Präsidenten, weitere Änderungsvorschläge unter dem Vorwand abgelehnt, dass am kommenden Sonntag die Frist ablaufe, mit der die Gesetzesreform bestätigt werden muss.

Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut Ipea befand sich im ersten Pandemiejahr, 2020, jede:r zehnte Brasilianer:in im Home-Office.