Guatemala / Politik

Initiative für die Einheit der progressiven Parteien in Guatemala

Politische Bündnisse in Kolumbien und Brasilien als Beispiele. Krisen im Land erfordern gemeinsame Antworten fortschrittlicher Kräfte

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Der langjährige Aktivist Sandoval ruft erneut zur Einheit der linken und fortschrittlichen Kräfte in Guatemala auf
Der langjährige Aktivist Sandoval ruft erneut zur Einheit der linken und fortschrittlichen Kräfte in Guatemala auf

Guatemala-Stadt. Der Autor und politische Aktivist Miguel Sandoval Velásquez aus Guatemala ruft zur Einheit der "progressiven Kräfte" in dem mittelamerikanischen Land auf.

Sein Schreiben ist an die Leitungen der Parteien Semilla, URNG, Winaq und MLP gerichtet und wurde als offener Brief im Onlineportal Prensacomunitaria veröffentlicht. Sandoval nimmt darin Bezug auf den Pacto Histórico in Kolumbien und das breite Bündnis zur Unterstützung der Kandidatur von Lula Da Silva bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien. Diese erfolgreich geschmiedeten Allianzen zeigten, dass das Politische vom Ideologischen unterschieden werden könne. Lula habe große Chancen, die Wahlen zu gewinnen, "doch dafür wurden Bündnisse unterschiedlichster Art geschlossen. Sowohl in sozialer als auch in politischer Hinsicht".

Der heute 72-jährige Sandoval gehörte 1972 zu den Mitbegründern der "Guerillaarmee der Armen" (Ejercito Guerillero de los Pobres, EGP) und später zur Nationalen Leitung der "Nationalen Revolutionären Einheit Guatemalas" (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca, URNG), dem Zusammenschluss von vier Guerillaorganisationen. Nach dem Friedensabkommen kandidierte er 2007 und 2015 für die politische Partei URNG-Maiz bei den Präsidentschaftswahlen, 2015 im Bündnis mit der Winaq, kam aber jeweils nicht über drei Prozent der Stimmen.

Er sieht seine aktuelle Initiative nicht nur auf die Wahlen begrenzt. Angesichts der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen im Land sei es notwendig, "gemeinsame politische Positionen einzunehmen, die die Türen zu größeren Vereinbarungen öffnen. Es wäre sehr schwach, nur an mögliche Wahlbündnisse zu denken."

Als die drängendsten Probleme, die "progressive Antworten" erforderten, benennt Sandoval "die galoppierende Inflation", welche die ohnehin schon sehr angespannte Ernährungslage für breite Teile der Bevölkerung verschärfe. Die "Auflösung der Institutionen" und die Zerstörung des Rechtsstaates seien offensichtlich. Eine Gesundheitspolitik, die diesen Namen verdiene, gebe es ebenso wenig wie eine klare Landwirtschaftspolitik zur Deckung des nationalen Nahrungsmittelbedarfs. Dies seien Themen, die von fortschrittlichen Parteien und Gruppen gemeinsam auf die Tagesordnung gesetzt und angegangen werden müssten.

Mit Blick auf die in rund einem Jahr stattfindenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen verweist Sandoval auch auf die Erfahrungen bei den Wahlen 2019: Damals kamen die getrennt antretenden Parteien MLP, Winaq und URNG auf rund 18 Prozent der Stimmen, der spätere Wahlsieger Alejandro Giammattei erreichte die Stichwahl als zweitplatzierter mit lediglich 13 Prozentpunkten.

Bisherige Versuche, zu einer Einheit zu kommen, waren ohne Erfolg geblieben. Aus früheren Konflikten gebe es Vorbehalte an der Basis, erklärte etwa der Generalkoordinator der Landarbeiterorganisation Codeca, Mauro Vay Gonón.

Codeca hatte im Jahr 2018 die Partei MLP (Bewegung für die Befreiung der Völker) gegründet. Ihre Kandidatin Thelma Cabrera kam bei den Präsidentschaftswahlen auf 10,4 Prozent, was wesentlich zum guten Abschneiden der Linken beitrug. Cabrera gelang es, sich als Stimme der indigenen Bevölkerung ‒ rund die Hälfte der Einwohner des Landes ‒ zu etablieren. Allerdings schnitt die MLP bei den zeitgleich stattfindenden Parlamentswahlen schlechter ab und konnte nur eine Abgeordnete ins Parlament entsenden. Zusammen stellen die genannten Parteien 15 Abgeordnete.

Inhaltliche Differenzen scheinen indes eher eine untergeordnete Rolle bei der fehlenden Einheit zu spielen. URNG, Winaq und MLP betonen den plurinationalen Charakter Guatemalas und treten für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. Bergbau- und Großprojekte lehnen sie ab, die natürlichen Ressourcen sollen geschützt werden. URNG und Winaq sprechen sich ebenfalls gegen Privatisierungen aus, auch wenn die MLP sich mit dem von Codeca geführten Kampf um die Vergesellschaftung der Stromversorgung am deutlichsten positioniert.

Die Partei Semilla hat ihre Wurzeln in den Massenprotesten gegen die Korruptionsskandale der Regierung 2015. Entsprechend liegt ihre Priorität bei der Korruptionsbekämpfung und dem Erhalt des Rechtsstaates, aber auch der Umweltschutz und die Rechte der indigenen Bevölkerung sind Themen. Unter dem Stichpunkt "Humane Ökonomie" heißt es auf ihrer Homepage "dass die guatemaltekische Wirtschaft dazu beitragen sollte, Armut zu verringern und zwar auf eine Weise, die allen Guatemalteken zugute kommt und nicht nur einer kleinen Gruppe privilegierter Familien".

Sandoval betonte mehrfach, dass die drängenden Probleme im Land nach einer starken linken Position verlangen und eine Partei allein dies nicht gewährleisten könne. Über Reaktionen auf seinen Brief ist bislang nichts bekannt.