Zunehmende Kritik an Zulassung von Gen-Weizen in Argentinien

argentinien_widerstand_gegen_gen-weizen.jpg

Pueblos Fumigados und das Wissenschaftskollektiv Trigo Limpio kritisieren die Zulassung von HB4 scharf
Pueblos Fumigados und das Wissenschaftskollektiv Trigo Limpio kritisieren die Zulassung von HB4 scharf

Buenos Aires. Anlässlich eines Treffens der von Pestizid-Sprühflügen geschädigten Gemeinden (Pueblos Fumigados) und des Kollektivs für sauberen Weizen haben Betroffene und Wissenschaftler:innen ihre Ablehnung der Zulassung des gentechnisch veränderten (GV-)Weizens HB-4 für den Agrarindustrie-Konzern Bioceres bekräftigt.

Sie kritisieren die negativen Auswirkungen von GV-Weizen und fordern die Regierung auf, die Zulassung rückgängig zu machen und seine Vermarktung zu untersagen. Durch den Anbau gentechnisch veränderter Kulturen hätten sich die Konzentration des Reichtums, der Ausschluss der ländlichen Bevölkerung und der indigenen Völker verstärkt.

Zu den wissenschaftlich belegten Folgen der auf Gentechnik basierenden agrarindustriellen Produktion zählten die Zerstörung artenreicher Agrarökosysteme wie der Chaco-Wälder. Es gebe keine Möglichkeit, mit dem Anbau von GV-Monokulturen zu koexistieren, da die Gesundheit der ländlichen Gemeinden durch intensiven Pestizideinsatz vorsätzlich geschädigt und ihr Tod in Kauf genommen werde.

Die Versammlung wies auf tiefgreifende Interessenkonflikte in der Nationalen Kommission für Biotechnologie (Conabia) und im Nationalen Gesundheitsdienst für Agrar- und Ernährungswirtschaft (Senasa) hin, in denen die meisten Fachleute für genau die Unternehmen arbeiteten, die sie eigentlich bewerten sollten.

Während Conabia GV-Weizen zuließ, stufte Senasa das Herbizid Glufosinat-Ammonium mit blauer Toxizitäts-Etikettierung ein (fünfzehnmal giftiger als das Totalherbizid Glyphosat, das grün als "schwach giftig" etikettiert ist). HB4 wird als resistent gegen Trockenheit und Glufosinat-Ammonium beworben.

Die Kritiker:innen haben Zweifel an der ethischen Orientierung der beteiligten Einrichtungen und der Wissenschaftlerin Raquel Chan, die die HB4-Technologie entwickelt hat.

Die Behauptung von Beamt:innen und Forscher:innen, die sich für GV-Pflanzen einsetzen, dass Glufosinat-Ammonium nicht verwendet werde, sei unwahr. So erwähnt die Zulassung 27/2022 des Agrarministeriums eine Stellungnahme, der zufolge "davon ausgegangen wird, dass Glufosinat-Ammonium eine neue Alternative zur Optimierung der Unkrautbekämpfung in Weizenkulturen und zur Steigerung der Erträge bei Wasserstress darstelle". Gleichzeitig wirbt Bioceres selbst auf seiner Website für das Technologiepaket von HB4-Weizen in Kombination mit Glufosinat-Ammonium.

Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Exposition gegenüber Glufosinat-Ammonium bei Föten zu einer verminderten Bewegungsaktivität führt, die bei Versuchen mit Säugetieren eine Verschlechterung des Gedächtnisses und des Verhaltens analog zum Autismus bewirkten. Auch belegten Forschungsergebnisse, dass das Herbizid die Qualität und das Erbgut von Säugetierspermien veränderte. In der Europäischen Union ist es verboten.

Der HB4-Weizen wurde laut den anwesenden Wissenschaftler:innen unter Missachtung des argentinischen Umweltgesetzes sowie des Escazú-Umweltabkommens genehmigt. Die Zulassung von GV-Kulturen ohne gesellschaftliche Zustimmung verstoße gegen die Verfassung. Der Staat gebe seine Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung auf, um die Interessen von Unternehmen wie Bioceres und ihres Dienstleisters Indear zu schützen.

Zwischen 1996-2020 wurden laut Agrarministerium 62 transgene Kulturen im Land zugelassen. Fünfzig davon wurden extra als Pestizid-tolerant konzipiert, die meisten davon beantragt von Agrarchemie-Konzernen wie Bayer. Ein Großteil der GV-Kulturen (Mais, Soja, Baumwolle) sind gleichzeitig tolerant gegenüber hoch giftigen Herbiziden.

Die Versammlung hinterfragte, wie die Regierung GV-Kulturen, deren Anbau die ländliche Bevölkerung umbringe, als Entwicklung bezeichnen könne, und wie GV-Weizen als Fortschritt gelten solle, da er andere traditionelle Weizenarten kontaminiere und dadurch die Artenvielfalt gefährde. Klimawandel, Hunger und fehlender Zugang zu gesunden und verantwortungsvoll produzierten Lebensmitteln, die Konzentration von Land und Reichtum seien genau auf die Intensivierung des agrarindustriellen Produktionsmodells zurückzuführen. Die Expert:innen fordern eine Hinwendung zur Agrarökologie als einzigem Weg zur Ernährungssouveränität und zu einem sozial gerechten Produktionsmodell, das der biologischen Vielfalt verpflichtet ist.