Ausnahmezustand im Süden von Chile: Landbesitzer tötet Mapuche

Historischer Landkonflikt erneut eskaliert. Regierung Boric schafft Ministerium für Indigene Völker und ersucht Vereinte Nationen um Vermittlung

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Protestaktion vor der Klinik, in der Eloy Alarcón Manquepan starb
Protestaktion vor der Klinik, in der Eloy Alarcón Manquepan starb

Villarica/Santiago. Der Grundbesitzer Mauricio Briceño hat den Mapuche Eloy Ulises Alarcón Manquepan während einer Auseinandersetzung um Land in Südchile, dem Mapuche-Gebiet Wallmapu, aus nächster Nähe erschossen.

Alarcons Freunde und Familienmitglieder verurteilen den Vorgang als vorsätzlichen Mord, während der Briceño sich auf "Selbstverteidigung" beruft.

Der tödliche Zwischenfall wird von beiden Seiten höchst widersprüchlich dargestellt. Eloy Alarcon sei mit drei weiteren Personen zum Grundstück Briceños gezogen, um ihm mitzuteilen, dass sie die Rückführung des über 900 Hektar großen Grundstücks in Mapuche-Eigentum vorbereiten, erklärt die Gruppe. Briceño war zunächst nicht auf dem Grundstück anwesend und sei von einem Verwalter herbeigerufen worden. Als er die Gruppe auf der Landstraße erreichte, habe er die Tür seines Wagens geöffnet und sofort geschossen. Nach Ansicht der Familie und Vertreter verschiedener lokaler Mapuchegemeinden handelt es sich um Mord, der entsprechend untersucht und bestraft werden muss.

Völlig anders stellt Briceño den Vorgang dar. Von seinem Verwalter alarmiert, sei er zu seinem Haus gefahren, wo er sich einer mit Axt und Macheten bewaffneten Gruppe Mapuche gegenübersah. Nach einem heftigen Wortwechsel sah er sich von Alarcon mit einer Axt bedroht, worauf er seinen Revolver zog und ihm in Brust schoss.

Die herbeigerufene Polizei nahm Briceño als Verantwortlichen des tödlichen Schusses fest und der Staatsanwalt eröffnete ein Verfahren wegen Mordes. In Untersuchungshaft genommen wurde er nicht. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Hypothese der legitimen Selbstverteidigung während der Ermittlungen bewiesen werde, so die Begründung. Den zunächst angeordneten Hausarrest hob der zuständige Richter nach drei Tagen auf.

Die Öffentlichkeit hat empört auf den Vorfall regiert und der Tod des Mannes wird als Beweis dafür gewertet, dass der erst kürzlich verlängerte Ausnahmezustand offensichtlich nicht greift.

Um den historischen Konflikt zwischen Staat und Mapuche zu lösen, hat Präsident Gabriel Boric bei der Vorlage des ersten Rechenschaftsberichts seiner Amtszeit im Kongress am 1. Juni eine lange Liste von Maßnahmen angekündigt. Er versprach unter anderem, den Haushalt für den Rückkauf von Land massiv zu erhöhen und neben Landrückgaben auch die Infrastruktur zu verbessern. In seiner Rede erkannte Boric an, dass die Rückgabe von Land "eine der dringendsten Forderungen der indigenen Völker ist". Seine Regierung arbeite dahingehend "einen Vorschlag aus, der es uns ermöglicht, diese Situation zu lösen und der alle Akteure in dem Gebiet einbezieht".

Ein Ministerium für indigene Völker soll eingerichtet werden, um "die Politik des Staates zu gestalten und zu koordinieren, die den Bedürfnissen der Völker und der Förderung der kulturellen Rechte entspricht", sagte er weiter. Alle Maßnahmen sollten gemeinsam mit neu zu schaffenden territorialen Parlamenten umgesetzt werden.

Da verschiedene Mapuche-Organisationen die zu Beginn der neuen Regierung eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe ablehnen, versucht Boric nun mit einem neuen Vorstoß die festgefahrene Situation aufzulösen: Er hat den UN-Generalsekretär Antonio Guterres um Vermittlung gebeten.

Der Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker bei den Vereinten Nationen, Francisco Cali, hatte kürzlich seine Bereitschaft erklärt, an Dialogen teilzunehmen, die "zu Mechanismen der Gerechtigkeit und des Friedens im Zusammenhang mit den Konflikten zwischen dem Staat und den Gemeinschaften des Mapuche-Volkes beitragen sollen."

Ein wichtiger Teil des Mandats des Berichterstatters betrifft die Lage der indigenen Völker in Bezug auf ihre Gebiete und Ressourcen sowie ihre bürgerlichen, politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Rechte und Fälle von rassistischer Diskriminierung.