Kolumbien / Politik

Kolumbien: Sorge wegen weiterer Gewalteskalation vor den Wahlen

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Warnung vor einem "Wahlputsch": Der neue Bericht von Indepaz
Warnung vor einem "Wahlputsch": Der neue Bericht von Indepaz

Bogota. Die Europäische Union und politische Persönlichkeiten aus mehr als 20 Ländern zeigen sich angesichts der Gewalteskalation besorgt über die erste Runde der Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag.

Auch die Ombudsbehörde und die Nichtregierungsorganisation Indepaz (Comisión Intereclesial de Justicia y Paz) in Kolumbien warnen vor "extrem Risiken", die die Wahl am Sonntag gefährden könnten.

Die Gewalt gegen politische Führungspersönlichkeiten stieg im Vergleich zur Vorwahlzeit im Jahr 2018 dieses Jahr um 109 Prozent an.

In einem öffentlichen Schreiben äußerten rund 100 in- und ausländische Politiker:innen ihre Sorge über die "wachsende Gefahr von Gewalt, Morden und Einmischung." Die US-Kongressabgeordnete Rashida Tlaib, der französische Abgeordnete Jean-Luc Mélenchon, der ehemalige ecuadorianische Präsident Rafael Correa, die argentinische Ministerin für Frauen, Gleichstellung und Vielfalt, Elizabeth Gómez Alcorta und der US-Intellektuelle Noam Chomsky gehören zu den Unterzeichnenden.

Das Dokument geht auf die Drohungen gegen den linken Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro und die Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Francia Márquez, ein. Die Wahlkampagne Petros unterbrach in diesem Monat eine Tour durch die "Eje Cafetero" (Kaffeeanbaugebiet) in den Departamentos Caldas, Risaralda und Quindío, weil eine paramilitärische Gruppe ein Attentat auf ihn geplant hatte. Beide Persönlichkeiten haben bereits Anschläge überlebt: Petro als Präsidentschaftskandidat im Jahr 2018 und Márquez als Aktivistin im Jahr 2019. In den vergangenen Tagen erhielten sie zahlreiche Morddrohungen insbesondere in den sozialen Medien.

Darüber hinaus sei "politische Gewalt nicht auf die Kandidaten beschränkt." Die Verfasser beziehen sich auf die Gefahrenlage für alle Personen in öffentlichen Positionen. Die Einmischung der aktuellen rechten Regierung in den Wahlkampf wird in dem Brief ebenso angeprangert, wie die Suspendierung von gewählten Amtsträger:innen durch die Generalstaatsanwaltschaft, die in den letzten Wochen zwei Bürgermeister wegen angeblicher Wahlpropaganda ihres Amtes enthob.

"Zusammengenommen erfordern diese Bedrohungen eine stärkere Überwachung, Kontrolle und Transparenz bei den kolumbianischen Präsidentschaftswahlen. Seit Jahrzehnten fordern die Menschen in Kolumbien Frieden und Würde. Wir solidarisieren uns jetzt mit ihrem Kampf für einen freien und friedlichen demokratischen Prozess", heißt es abschließend.

Neben den Warnungen der Politiker:innen alarmierte die Ombudsbehörde die Öffentlichkeit. Extreme Risiken seien insbesondere in den ländlichen Gemeinden am Vorabend der Wahlen zu erwarten. Ombudsmann Carlos Camargo warnte am Montag, dass 84 Gemeinden aufgrund der Anwesenheit der linken Guerilla Nationale Befreiungsarmee (ELN), Farc-Dissidentengruppen und der rechten paramilitärischen Gaitanistischen Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AGC) extrem gefährdet seien.

Der aktualisierte Bericht wurde während eines Treffens im Departamento Chocó veröffentlicht, das als eines der Epizentren selektiver Ermordungen und Massaker an sozialen Anführern und ehemaligen Farc-Kämpfern gilt.

Indepaz veröffentlichte einen Bericht mit dem Titel "Nationaler Alarm zur Verhinderung eines Wahlputsches", in dem sie unter anderem Bedrohungen wie Korruption, mafiöse Strukturen, die Präsenz bewaffneter Gruppen und die Einmischung der aktuellen Regierung aufzeigt.

Zusätzlich legte Indepaz eine Statistik der Gewalttaten in der Vorwahlphase vor: 76 soziale Führungspersonen und 21 demobilisierte Farc-Kämpfer wurden seither ermordet und bei 42 Massakern kamen 151 Menschen ums Leben.