Falsos Positivos in Kolumbien: "Der Name meines Sohnes soll reingewaschen werden"

Aufarbeitung der Fälle im Departamento Huila. Generalstaatsanwalt: "Verschiedenste Vertuschungsstrategien durch Militärangehörige"

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Elsa Díaz Astudillo, die Frau des vom Militär getöteten Saúl Ortiz
Elsa Díaz Astudillo, die Frau des vom Militär getöteten Saúl Ortiz

Neiva. Opfer fordern in einem Teilverfahren vor der Sonderjustiz für den Frieden (Justicia Especial para la Paz, JEP) in Kolumbien Gerechtigkeit im Fall von Kriegsverbrechen während des bewaffneten Konflikts. Über zwei Tage hinweg fanden die Anhörungen im sogenannten "Fall 03" in der Hauptstadt des südwestlichen, landwirtschaftlich geprägten Departamento Huila statt. Dort haben Militärangehörige zwischen 2005 und 2008 schätzungsweise 130 Verbrechen begangen.

Der Begriff Falsos Positivos (übersetzt: Falsche Positive) beschreibt die unter der Regierung von Álvaro Uribe (2002-2010) systematisch angewandte Praxis des Militärs, insbesondere in ländlichen Regionen junge Bürger zu entführen, zu exekutieren und sie als im Kampf gefallene Guerillaangehörige auszugeben. Ende April haben im Rahmen einer anderen Anhörung der JEP zum ersten Mal Soldaten zugegeben, diese Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verübt zu haben (amerika21 berichtete), und zwar in der Region Catatumbo während der Jahre 2007 und 2008.

Bei der Anhörung in Neiva haben 96 Personen, meist Familienangehörige oder Partner der Verstorbenen, gegen 100 Militärangehörige ausgesagt – davon 47 einfache Soldaten, 33 Unteroffiziere und Offiziere, acht Oberstleutnants, fünf Oberst und sechs Generäle. Mithilfe von Zeugenaussagen, Fotos und Materialien wie Stoffen wurden Beweise gesammelt.

Die Angehörigen verlangen, die Umstände der Tötungen aufzuklären, also Befehlsstrukturen und die Beteiligung von Zivilpersonen aufzudecken. Diese dienten dem Militär als Informanten bezüglich des Aufenthaltsortes der Getöteten, oder sie lockten die Opfer unter einem Vorwand an den Ort, an dem sie exekutiert wurden. Außerdem sollen Angehörige von als Falsos Positivos Getöteten nicht den obligatorischen Militärdienst leisten müssen und Entschädigungen erhalten.

Auch Elsa Díaz Astudillo, deren Ehemann Saúl Ortiz 2006 im Hof ihres Hauses im Beisein der gemeinsamen Kinder vom Militär erschossen wurde, hat vor der Kommission ausgesagt. "Später war es sehr schwer zu ertragen, dass die Medien davon sprachen, ein Guerillero sei in einer Schlacht getötet worden waren. Er war der Vater meiner Kinder, kein Guerillero!"

Dem Generalstaatsanwalt Jairo Acosta zufolge wurden die Verbrechen auf verschiedenste Art vertuscht, unter anderem durch die Simulation von Gefechten, die Erstellung von Berichten mit falschen Informationen über ein angebliches Gefecht sowie die Auswahl und Einweisung von Streitkräften, die in Straf- und Disziplinaruntersuchungen falsch aussagen sollten. Darüber hinaus sagte er, dass Schmiergelder aus staatlichen Mitteln an zivile Personen gezahlt wurden, die an den Verbrechen beteiligt waren.

Die Familien fordern, genauso wie die Opferverbände bei der Anhörung in Catatumbo, dass die Namen der auf höchster politischer Ebene Verantwortlichen für diese Verbrechen offengelegt werden, damit sie strafrechtlich belangt und ihre Dienstgrade entzogen werden. Der JEP zufolge ist die Untersuchung ein Meilenstein, um entsprechende Anklagen gegen Militärangehörige wegen der in dieser Region begangenen Verbrechen vorzubereiten.

In einem anderen bekannt gewordenen Fall im Departamento Casanare wurden die Brüder Wilfredo Alarcón und Fernando Acevedo sowie ihr Freund Darwin Riascos nach einem Fußballspiel von einem Rekrutierer mit dem Spitznamen "Gilber" angeworben und außerhalb ihres Elternhauses von Angehörigen der 16. Brigade der Eliteeinheit Vereinigte Aktionsgruppen für die Personenbefreiung (GAULA) erschossen. Im Nachhinein wurden sie dann beschuldigt, den Besitzer eines Bauernhofs in diesem Gebiet entführen zu wollen und die Soldaten angegriffen zu haben.

Die Mutter der Brüder, Yaneth Acevedo, und deren Schwester mussten die drei dann später identifizieren und stellten Spuren von Folter und anderen Verletzungen an ihren Körpern fest.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) wird gegen den kolumbianischen Staat ermitteln, da dieser in dem Fall die verantwortlichen Militärs nicht rechtzeitig strafrechtlich verfolgt hat. Es wurden zwar 18 Militärangehörige angeklagt, aber nur sechs wegen Beihilfe verurteilt.