Veröffentlichung der Urteilsbegründung im Mordfall Berta Cáceres erneut verschoben

Indigenenverband befürchtet Annullierung der Urteile gegen Auftragsmörder und Auftraggeber. Opferanwalt zu amerika21: "Strukturelles Versagen der Justiz"

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Berta Cáceres
Berta Cáceres

Tegucigalpa. Die für Mittwoch angekündigte Veröffentlichung der Urteilsbegründung im "Fall Berta Cáceres" ist auf den 17. Juni verschoben worden. Das Strafmaß gegen den früheren Geschäftsführer des Unternehmens Desarollos Energéticos S.A. (Desa), David Castillo, steht somit weiterhin noch nicht fest.

Castillo war vergangenen Juli als Mittäter in der Ermordung der Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres schuldig gesprochen worden (amerika21 berichtete). Erst nach der Verlesung der schriftlichen Urteilsbegründung und des Straßmaßes können Rechtsmittel dagegen eingelegt werden. Der Termin der schriftlichen Urteilsverkündung war ursprünglich für August 2021 angekündigt, dann aber auf April dieses Jahres und schließlich auf Mai verschoben worden.

Victor Fernández, Anwalt der Familienangehörigen Cáceres', kritisiert gegenüber amerika21, dass das Gericht gesetzliche Fristen überzogen habe. Das sei angesichts der Komplexität des Falles und der Menge an Beweisen noch verständlich. Nicht vertretbar sei es jedoch, dass sich die Richter:innen mit der schriftlichen Ausarbeitung des Urteils fast ein Jahr Zeit lassen. Dieses Vorgehen ist laut Fernández symptomatisch für das strukturelle Versagen der honduranischen Justiz. Es sei ein Affront nicht nur gegen die Rechte der Opfer, sondern gegen alle Prozessbeteiligten. Man könne nur hoffen, dass das Gericht die Zeit wenigstens genutzt habe, um ein gut begründetes, juristisch solides Urteil zu erarbeiten. Für Fernández bleiben Zweifel, denn die Strafkammer, die David Castillo vergangenes Jahr verurteilt habe, bestehe derzeit nicht mehr. Die drei Richter:innen, die ihr angehörten, hätten angegeben, mit anderen Verfahren ausgelastet zu sein.

Der zivile Rat der indigenen und Volksorganisationen von Honduras (COPINH) fordert, dass es nun keine weiteren Verschiebungen geben dürfe. Das Urteil müsse die in der Verhandlung im vergangenen Jahr erbrachten Beweise und Zusammenhänge umfassend würdigen, eine der besonderen Schwere der Tat angemessene Strafe aussprechen und ein Zeichen gegen die Straflosigkeit der auch in diesem Jahr andauernden Morde an Menschenrechtsverteidiger:innen aus indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinden setzen. Außerdem sei der Staat weiter in der Pflicht, gegen die mutmaßlichen Auftraggeber des Mordkomplotts, Mitglieder der Familie Atala aus dem Führungsgremium des Unternehmens Desa, zu ermitteln und Gerichtsverfahren gegen sie einzuleiten.

COPINH und die Anwälte von Cáceres’ Familienangehörigen befürchten allerdings schon seit längerem, dass die Entwicklung in eine andere Richtung gehen könnte. Nach eigenen Angaben haben sie erfahren, dass ein Antrag auf Annullierung des Verfahrens gegen die 2018 verurteilten Auftragskiller und Mittelsmänner des Mordes an Berta Cáceres bereits beim zuständigen Gericht liegen soll. Ein weiterer zugunsten von David Castillo könnte folgen, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, so die Opfervertreter:innen. Der Antrag sei wahrscheinlich aussichtsreich, sollte die Urteilsbegründung die befürchteten Lücken und Schwächen aufweist.

Berta Cáceres war in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 in ihrem Haus in La Esperanza-Intibucá erschossen worden. Hintergrund war ihr Widerstand gegen das Wasserkraftwerk "Agua Zarca", das unter anderem mit Beteiligung des damaligen Siemens-Joint Ventures Voith Hydro und Ko-Finanzierung durch niederländische und finnische Entwicklungsbanken gebaut werden sollte. Die Tat zielte darauf ab, die Opposition der indigenen Lenca-Gemeinden am Gualcarque-Fluss zu brechen und die von Cáceres mitgegründete und geleitete Organisation COPINH zu zerstören.

Dieser Zusammenhang sowie die mutmaßliche Rolle der Führungsebene des Unternehmens Desa und damit von Mitgliedern der Familie Atala wurde bereits 2017 von der spezifisch für den Fall Cáceres initiierten internationalen Expert:innen-Gruppe GAIPE aufgedeckt. Im Prozess gegen David Castillo wurden die Verdachtsfälle unter anderem durch die Analyse von Chat-Protokollen weiter erhärtet.