Neues Gesetz zur Kriminalisierung von sozialen Bewegungen in Brasilien

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"Würdig wohnen ist ein Menschenrecht". Bolsonaros Änderung des Anti-Terrorismus-Gesetzes soll soziale Bewegungen kriminalisieren
"Würdig wohnen ist ein Menschenrecht". Bolsonaros Änderung des Anti-Terrorismus-Gesetzes soll soziale Bewegungen kriminalisieren

Brasília. Der ultrarechte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro (PL) hat einen weiteren Schritt unternommen, um Aktivist:innen zu kriminalisieren. Er übermittelte dem Bundeskongress am 25. März einen Vorschlag zur "Aktualisierung" des Anti-Terror-Gesetzes (2.016/15), wonach "Handlungen politischer oder ideologischer Natur, bei denen Gewalt angewendet wird", als Terrorismus eingestuft werden können. Mitten im Wahljahr ist das Gesetzesvorhaben ein Wink an seine politische Basis. Rechtsexperten sehen in der Initiative ein Schlupfloch, um soziale Bewegungen einzuschüchtern.

Der Vorschlag der Regierung sieht vor, das Gesetz dahin zu ändern, dass der Terrorismus-Tatbestand bereits bei "vorsätzlicher, wiederholter oder nicht wiederholter Gewaltanwendung zu politischen oder ideologischen Zwecken" vorliegt.

Aus dem neuen Text gehe nicht hervor, ob sich die "gewalttätigen Handlungen" gegen Personen oder Sachen richten. Damit könnten auch Gewaltaktionen gegen Eigentum als Terrorismus angesehen werden, wenn sie vorsätzlich und zu politischen Zwecken ausgeübt werden, erklärt Gustavo Badaró, Rechtsanwalt und Professor für Strafprozessrecht an der Universität São Paolo (USP). Beispielsweise kann das Blockieren einer Straße mit brennenden Reifen durch streikende Arbeiter:innen als terroristische Handlung betrachtet werden.

Bereits 2015, als das Anti-Terror-Gesetz unter der Regierung von Dilma Rousseff (PT) verabschiedet wurde, warnten Experten vor der Gefahr, dass es gegen Proteste und Demonstrationen eingesetzt werden könnte. "Die im Gesetzentwurf festgelegte Definition des Verbrechens kann zu Unklarheit und Verwirrung bei der Bestimmung dessen führen, was der Staat als Terrorismusverbrechen ansieht, wodurch die Garantie der Menschenrechte und Grundfreiheiten untergraben werden könnte. Anti-Terror-Gesetze mit vagen und zweideutigen Begriffen dienen oft dazu, Gruppen zu kriminalisieren, die sehr starke, dissidente Stimmen sind, aber nicht unbedingt terroristische Gruppen", argumentiert Edison Lanza, Sonderberichterstatter für freie Meinungsäußerung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission der OAS (CIDH).

Kléber Santos von der nationalen Koordination der Bewegung des Kampfes in Stadtvierteln, Kleinstädten und Favelas (MLB) sieht in dem Vorschlag einen Versuch Bolsonaros und seiner Generäle, die Kriminalisierung sozialer Bewegungen zu verschärfen, um die Unzufriedenheit der Arbeiter:innen und armen Menschen mit der Regierung zu ersticken. Die MLB hatte während der Pandemie über 20 Wohnungsbesetzungen in ganz Brasilien durchgeführt.

Auch für Alexandre Conceição, Mitglied der nationalen Koordination der Landlosenbewegung MST, ist der Vorschlag eine Strategie der "Verfolgung" der Landlosenbewegung und anderer sozialer Gruppen, die sich der derzeitigen Regierung widersetzen. Bereits im Wahlkampf 2018 und unmittelbar nach seinem Wahsieg bezeichnete Bolsonaro die MST und die Bewegung der Wohnungslosen als terroristische Gruppen (amerika21 berichtete). Mit Amtsantritt Anfang 2019 legte er die Prozesse des Erwerbs, des Verkaufs oder anderer Formen der Landbeschaffung im Rahmen der Agrarreform lahm.

"Die Aktionen der MST sind legitim", unterstreicht Conceição und erinnert an den Verfassungstext, der der Bewegung der Landarbeiter:innen ohne Boden das Recht gibt, unproduktive ländliche Flächen für die Agrarreform zu enteignen.

Während Bolsonaro nun verstärkt versucht, soziale Organisationen wie die MLB, die MST und weitere mit schärferen Gesetzen zu verfolgen, sollen die Strafen für Polizeibeamte, die in Ausübung ihres Dienstes Straftaten begehen, gemildert werden. Ihnen wird damit eine Art Freibrief ausgestellt, um etwa in Favelas und Randgebieten gegen arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen vorzugehen, ohne dafür mit Strafen rechnen zu müssen.