Aktionen in Lateinamerika zum weltweiten Frauentag

Proteste gegen systematische Diskriminierung und geschlechtsbasierte Gewalt. Streiktag lenkt den Blick auf die wirtschaftliche Ungleichbehandlung. Häufig keine schriftlichen Arbeitsverträge

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"Auf dem Weg nachhause will ich frei sein, nicht mutig"
"Auf dem Weg nachhause will ich frei sein, nicht mutig"

Mexiko-Stadt et al. Länderübergreifend sind in Lateinamerika am 8. März Frauen und andere auf die Straße gegangen, um gegen systematische Diskriminierung und geschlechtsbasierte Gewalt zu demonstrieren. Die meisten Protestaktionen richteten sich gegen Gewalt an Frauen. Mit einem Streik am 9. März machten Frauen auf ungleiche wirtschaftliche Behandlung aufmerksam.

In Mexiko nahmen Frauen aus allen Branchen bereits zum fünften Mal am Streik teil. Unter dem Motto "Ein Tag ohne uns" waren sie aufgerufen, weder zur Arbeit zu gehen noch Geld als Konsumentin auszugeben. Auch Schulen, Einkaufszentren und sogar die sozialen Netzwerke sollten gemieden werden, um deutlich zu machen, welches wirtschaftliche Gewicht Frauen haben. Das Kollektiv Las Brujas del Mar erinnerte an die Belastungen, denen Frauen seit Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt sind: "Im Jahr 2020 überschwemmten wir an einem Tag die Straßen und verschwanden am nächsten. Wenn wir unsere Aktivitäten unterbrechen, unbezahlte Arbeit sichtbar machen, dann legen wir an diesem Tag eine Wirtschaftskraft von mehr als 40 Milliarden Pesos [umgerechnet 1,7 Milliarden Euro] lahm."

Die wirtschaftliche Beteiligung von Frauen ist laut dem mexikanischen Statistikinstitut zwischen 2005 und 2020 von 40 auf rund 45 Prozent gestiegen. Doch gleichzeitig übernehmen sie Studien zufolge deutlich mehr sogenannte Care-Arbeit (Haushalt, Pflege, Kindererziehung) und erhalten weniger Lohn als Männer.

In vielen Sektoren, beispielsweise im öffentlichen Dienst, unterliefen am Streiktag die Arbeitgeber allerdings einen Konflikt mit den Streikenden, indem sie Frauen "freiwillig" einen freien Tag einräumten.

Auch in Argentinien riefen Feministinnen zu einem nationalen Streik auf. Die Nichtregierungsorganisation Ni Una Menos forderte, dass "die Schulden, die der Staat und die Regierung bei Frauen* haben, eindeutig Vorrang vor der Begleichung der Auslandsschulden haben müssen“.

In anderen Ländern stand die Gewalt gegen Frauen im Vordergrund der Demonstrationen. In El Salvador sprach sich das Kollektiv Las Mélidas gegen die von der Regierung Nayib Bukele geplante Aufhebung des umfassenden Sondergesetzes für ein gewaltfreies Leben aus. Im Jahr 2012 trat das Gesetz in Kraft, das erstmals Feminizide und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt erfasste. Zudem brachte die Organisation gemeinsam mit Abgeordneten einen Gesetzentwurf für einen besseren Schutz von Hausangestellten ein.

In Brasilien richteten sich Demonstrationen in vielen Städten gegen Gewalt an Frauen, Rassismus und Sexismus. Viele Teilnehmerinnen richteten sich mit dem Motto "Niemals mehr Bolsonaro" direkt gegen den Staatspräsidenten.

In der chilenischen Hauptstadt Santiago bemalte eine Gruppe den Sockel des Denkmals an der Plaza de Dignidad sowie die Esplanade vor dem Theater der Universität von Chile mit dem Spruch "Für das Leben, das sie uns schulden".

In Mexiko erinnerten Menschen in Demonstrationszügen im ganzen Land an die Opfer von Feminiziden und gewaltsamem Verschwindenlassen. Zudem machten Journalistinnen sowohl in Chiapas als auch in San Luis Potosí auf ihre prekären Arbeitsbedingungen aufmerksam. Sie prangerten an, dass seit Beginn der Legislatur von Präsident Andrés Manuel López Obrador im Jahr 2018 661 Übergriffe auf Journalistinnen dokumentiert wurden. Drei von ihnen wurden ermordet.

"Mit unserer aktiven Teilnahme an diesem Marsch zeigen die Journalistinnen von Chiapas einmal mehr, dass wir nicht nur dokumentieren und über Menschenrechtsverletzungen an Frauen berichten, sondern dass wir selbst diese Frauen sind. Unser Beruf hindert uns nicht daran, zu demonstrieren und Teil dieser Geschichte zu sein“, hieß es in einer Stellungnahme der Journalistinnen in der Landeshauptstadt Tuxtla Gutierrez. Genau wie ihre Kolleginnen in San Luis Potosí beklagten sie, es komme immer häufiger vor, dass es keine schriftlichen Arbeitsverträge mit den Medienunternehmen und auch keine Sozialversicherung gebe. Die Arbeit ohne Zugang zu Gesundheitsdiensten, Wohnraum oder Kinderbetreuung sei "auch Gewalt, über die wenig gesprochen wird".