Proteste in Venezuela gegen Kriminalisierung und Zwangsräumungen

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Protest gegen Zwangsräumungen in Caracas vor dem Sitz der Generalstaatsanwaltschaft
Protest gegen Zwangsräumungen in Caracas vor dem Sitz der Generalstaatsanwaltschaft

Caracas. Basisorganisationen haben bei einer Demonstration in Venezuelas Hauptstadt von den Justizbehörden Maßnahmen im Kampf um städtischen Wohnraum gefordert.

Aufgerufen hatte die "Bewegung der Siedlerinnen und Siedler" (Movimiento de Pobladoras y Pobladores), ein landesweites Netzwerk. Dazu gehören die Campamentos de Pioneros, die ungenutzte Grundstücke in Städten besetzt und gemeinsam mit Kommunalen Räten und staatlicher Unterstützung Wohnblocks gebaut haben. Die Komitees für städtischen Boden, Hausbesetzergruppen und Mietervereinigungen sind ebenfalls in dieser Bewegung organisiert.

"Wir demonstrieren hier gegen Zwangsräumungen und die zunehmende Kriminalisierung popularer Kämpfe", erklärte Dilsia Arévalo, Sprecherin der Mieterbewegung, bei der Kundgebung vor dem Sitz der Generalstaatsanwaltschaft.

Arévalo forderte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab auf, die wiederholten Angriffe und Versuche, Familien zu vertreiben, um die Mietpreise in die Höhe zu treiben, ins Visier zu nehmen. "Wir brauchen eine gründliche Untersuchung aller Fälle von Zwangsräumungen im Land, vor allem angesichts der Covid-19-Pandemie." Hausbesitzer wendeten Taktiken wie das Abstellen des Wassers oder offene Gewalt an, um Mieter zum Auszug zu zwingen. "Wir erleben, wie mit Eigentumsrechten und Spekulation das Recht der Menschen auf Wohnraum mit Füßen getreten wird."

Ihr Kollektiv habe allein im Großraum Caracas mit mehr als zehn Zwangsräumungen pro Tag zu tun und die Zahl steige weiter, berichtet sie. Besonders gefährdet seien alleinerziehende Mütter.

Die Mieterbewegung hat die rechtswidrigen Praktiken in den sozialen Medien angeprangert und in einigen Fällen mit Hilfe der lokalen Behörden erreicht, dass die Familien zurück in ihre Wohnungen konnten. Arévalo wies auch auf Bestrebungen hin, die Kämpfe der Basis zu "diskreditieren und zu kriminalisieren". Justiz und private Medien seien dabei "Komplizen".

Saab war zum Zeitpunkt des Protests nicht in seinem Büro, traf jedoch per Videokonferenz mit den Pobladores-Sprecher:innen Iraida Morocoima und Rigel Sergent zusammen. Die Mieterbewegung überreichte einen Brief an den Generalstaatsanwalt, der von verbündeten Organisationen unterstützt wird.

"Die anhaltenden Schikanen und Zwangsräumungen verstoßen gegen Gesetze und die venezolanische Verfassung", heißt es darin. Der Brief listet Beschwerden und Forderungen an Saabs Büro auf, darunter die Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft, die sich mit dem Recht auf Wohnraum und ungerechtfertigten Zwangsräumungen befasst.

"Wir machen Sie auf skrupellose Sektoren aufmerksam, die versuchen, die Generalstaatsanwaltschaft zu benutzen, um mit falschen Anschuldigungen Gerichtsverfahren gegen Führungspersönlichkeiten der Basisbewegungen zu eröffnen, mit dem Ziel, die popularen Kämpfe zu diskreditieren", heißt es darin weiter.

Pobladores-Mitglieder führten in den Bundesstaaten Anzoátegui, Aragua und Lara ähnliche Aktionen durch und übergaben den Brief an die örtlichen Staatsanwaltschaften.

Eine offizielle Stellungnahme Saabs gibt es bislang nicht, doch bestätigte Sergent, dieser habe zugesagt, alle von den sozialen Bewegungen vorgebrachten Klagen über Zwangsräumungen zu untersuchen.

Der langjährige Aktivist der Mieterbewegung fügte hinzu, dass diese Woche auch eine vom Büro des Vizepräsidenten koordinierte Arbeitsgruppe zusammentreten werde, um die Anliegen der Basisorganisationen zu behandeln.

Die Pobladores-Bewegung setzt sich im Parlament außerdem für ein Gesetz ein, das die Selbstverwaltung und die Beteiligung der Bevölkerung am staatlichen Wohungsbauprogramm "Gran Misión Vivienda Venezuela" fördert, in dessen Rahmen seit 2011 rund 3,9 Millionen Wohnungen für einkommensschwache Familien gebaut wurden. Der Vorschlag wurde zwar auf die Tagesordnung der Nationalversammlung gesetzt, aber eine Debatte wurde noch nicht anberaumt.