Costa Rica / Politik

Regierungspartei in Costa Rica vor Absturz bei den Wahlen

Mit starken Verlusten für die PAC ist zu rechnen. Die drei aussichtsreichsten Kandidat:innen kommen in Umfragen nur auf 20 Prozent. Viele Wähler:innen bis zuletzt noch unentschieden

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Belehrungen der Wahlbehörde TSE für die heutigen Abstimmungen
Belehrungen der Wahlbehörde TSE für die heutigen Abstimmungen

San José. Am heutigen Sonntag finden in Costa Rica Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Rund 3,5 Millionen Bürger:innen sind zur Teilnahme aufgerufen.

Der regierenden Mitte-links-Partei Partido Acción Ciudadana (Bürgeraktionspartei, PAC) droht eine schwere Niederlage und dem Land weitere neoliberale Reformen.

Präsident Carlos Alvarado konnte zwar Ende Januar bekanntgeben, dass 2021 das Jahr mit dem größten Wirtschaftswachstum seit 15 Jahren war und ein nahezu ausgeglichener Staatshaushalt erreicht wurde. Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das mittelamerikanische Land während seiner Amtszeit massive Konflikte und Krisen erlebt hat.

Seit seinem Amtsantritt im Mai 2018 setzte Alvarado auf neoliberale Reformen, um das stagnierende Wirtschaftswachstum und die stetig steigende Staatsverschuldung zu bekämpfen. Gegen Steuererhöhungen und Kürzungen im Staatssektor kämpften die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ab September 2018 mit dem längsten Generalstreik der jüngeren Geschichte (amerika21 berichtete). Die Regierung erließ daraufhin nach Zustimmung durch das Parlament ein Gesetz, das das Streikrecht massiv einschränkt und Streiks in öffentlichen Diensten, die als "systemrelevant" eingestuft werden, verbietet.

Die Corona-Pandemie traf das Land wirtschaftlich hart. Costa Rica weist eine der höchsten Infektionsquoten und zugleich eine der niedrigsten Todesraten Lateinamerikas auf. Das Abreißen internationaler Lieferketten und der Einbruch der Nachfrage in den Abnehmerländern sowie das Ausbleiben von Tourist:innen stürzten das Land in eine schwere Rezession. Der Tourismus-Sektor macht allein rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, 200.000 Menschen sind dort beschäftigt

2020 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 5,6 Prozent, die Arbeitslosenquote stieg auf ein Rekordhoch von 20 Prozent. Für 2021 gab der Internationale Währungsfonds (IWF) die Staatsverschuldung Costa Ricas mit 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an, das ist der dritthöchste Wert in Lateinamerika.

Laut offiziellen Zahlen leben 1,2 Millionen Costaricaner:innen in Armut, davon 400.000 in extremer Armut, bei einer Bevölkerungszahl von insgesamt 5,2 Millionen.

Inmitten der schwersten Haushalts- und Schuldenkrise seit den 1980er Jahren begann Präsident Alvarado Verhandlungen mit dem IWF und vereinbarte einen Kredit in Höhe von 1, 8 Milliarden US-Dollar, die in Wirtschaftshilfen und in die Konsolidierung des Haushalts flossen. Im Gegenzug sagte er dem IWF Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und Privatisierungen zu. Seit der Ankündigung der Regierung im September 2020, mit dem IWF über die Aufnahme eines Kredits verhandeln zu wollen, wurde das Land von einer Welle mehrwöchiger, teils gewalttätiger Massenproteste erschüttert.

Zum Ende seiner Amtszeit sind die Zustimmungswerte für Alvarado im Keller. Bei Befragungen im November hielten 72 von 100 Costaricaner:innen seine Regierungsführung für schlecht oder sehr schlecht.

Welmer Ramos, der Präsidentschaftskandidat der PAC, wurde aufgrund von Umfragewerten von 0,1 bis 1 Prozent oft nur unter "Sonstige" geführt. Manche Beobachter:innen schließen nicht aus, dass die Parlamentsfraktion der Bürgeraktionspartei von derzeit neun (von 57) Abgeordneten auf einen zusammenschrumpfen könnte.

Die Niederlage der PAC, die mit dem amtierenden Alvarado zum zweiten Mal in Folge den Präsidenten stellte, scheint die einzige Gewissheit. In der letzten Umfrage vom 1. Februar gaben über 30 Prozent der Befragten an, sie hätten noch nicht entschieden, wem sie ihre Stimme geben. Für die Parlamentswahl liegt der Wert sogar bei 50 Prozent.

Eine Stichwahl bei der Präsidentschaftswahl, die die Verfassung vorschreibt, wenn niemand in der ersten Runde 40 Prozent der Stimmen erreicht, scheint sicher.

Die drei aussichtsreisten Kandidat:innen von insgesamt 25 kommen in Umfragen auf höchstens 17 Prozent. Führend ist dabei José María Figueres von der rechtssozialdemokratischen Partido Liberación Nacional (Partei der Nationalen Befreiung). Er war bereits von 1994 bis 1998 Präsident und setzte nach der Aufnahme eines Kredits bei der Weltbank neoliberale Reformen um.

Seine schärfste Konkurrenz sind demnach Lineth Saborío von der Partido Unidad Social Cristiana (Partei sozialchristliche Einheit) ‒ sie erreicht 12,9 Prozent ‒ gefolgt vom evangelikalen Prediger Fabricio Alvarado von der Partido Nueva República (Partei Neue Republik) mit 10,3 Prozent. Saborío war von 2002 bis 2006 Vizepräsidentin. Fabricio Alvarado kam 2018 überraschend in die Stichwahl, unterlag dann jedoch deutlich dem aktuellen Präsidenten Carlos Alvarado.

Alle drei haben eine weitgehende Fortsetzung der neoliberalen Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre angekündigt.