Ein Sieg über die Straflosigkeit in Guatemala: Gerechtigkeit für 36 indigene Achi-Frauen

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Achi-Frauen bei der Gerichtsverhandlung
Achi-Frauen bei der Gerichtsverhandlung

Guatemala-Stadt. In einem historischen Urteil sind fünf Angehörige der Zivilen Selbstverteidigungspatrouillen (Patrullas de Autodefensa Civil, Pac) von einem Gericht in Guatemala-Stadt am 24. Januar 2022 unter anderem wegen sexueller Sklaverei und häuslicher Sklaverei zu jeweils 30 Jahren Haft verurteilt worden.

Die Urteile gehen auf Vorfälle der Jahre 1982 und 1983 im Landkreis Rabinal im Departamento Baja Verapaz im Norden des Landes zurück. Diese Zeit während der Amtszeit des Diktators Efraín Ríos Montt gilt als die blutigsten des Bürgerkrieges, dessen Opfer vor allem die indigene Bevölkerung in den ländlichen Regionen wurde.

Im Landkreis Rabinal kam es in jenen Jahren zu 30 Massakern. Überlebende Frauen wurden von Angehörigen der Pac über Monate gefangen gehalten, systematisch vergewaltigt und zur Arbeit gezwungen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die fünf Männer sich der systematischen Vergewaltigung, Folter, Drohungen, Raub und Arbeitssklaverei schuldig gemacht hatten.

Im Jahre 2011 hatten 36 überlebende Frauen, die zur Volksgruppe der Maya-Achi gehören, sich entschlossen, ihr jahrzentelanges Schweigen zu brechen und ihre Peiniger anzuzeigen. In einer ersten Instanz kam es 2019 zu einem Freispruch, Richterin Claudette Dominguez hatte die Glaubwürdigkeit der Frauen in Frage gestellt.

Das Urteil vom 24. Januar kam auch zustande, weil dem Gericht verschiedene Gutachten vorgelegt wurden, die die Taten in den Kontext der Situation des Bürgerkriegs und der Unterdrückung und Ausgrenzung der indigenen Bevölkerung stellte.

So arbeitete die Anthropologin Irma Alicia Velasquez Nimatuj die rassistischen Positionen des Staates in jenen Jahren heraus, die die indigene Bevölkerung und insbesondere die Frauen als "wertlos" darstellten. In dem Gutachten von José Àngel Zapeta Garcia hieß es, das Vorgehen der Pac-Männer sei "Teil der physischen und psychischen Kontrolle gewesen, die die guatemaltekische Armee mit Hilfe der Pac über die Bevölkerung ausüben wollte". Mit dieser Art der Kriegsführung gegen die Bevölkerung liege ein Verstoß gegen die Genfer Konvention vor.

Während des Prozesses wurden die Frauen vor Gericht von Mitarbeitern von Menschenrechts- und indigenen Organisationen und Journalisten begleitet. Die Organisationen wollen den Frauen auch nach dem Urteil unterstützend zur Seite stehen.

Die Angeklagten wurde ihrerseits von Angehörigen begleitet, die immer wieder evangelikale Lieder sangen und Bibelverse zitierten. Evangelikale Religionsgemeinschaften spielen seit Anfang der 1980er eine zunehmende Rolle im Land, einige mit politisch sehr weit rechts stehenden Positionen. Auch der ehemalige Diktator Ríos Montt war Mitglied in der evangelikalen Kirche "El Verbo" (Das Wort).

Nach der Urteilsverkündung fielen sich die Frauen vor Gericht in die Arme, Menschenrechts- und indigene Organisationen feierten das Urteil als "historisch".

Die Pac waren eine paramilitätische Struktur, mit der das Militär Männer überwiegend aus den nördlichen und westlichen Hochlandregionen organisierte. Die Rekrutierung erfolgte meist zwangsweise. Die offizielle Gründung geht aus dem Regierungsdekret 222-83 von 1983 hervor, obwohl sie bereits in den Jahren 1981/82 unter der Diktatur von General Fernando Romeo Lucas Garcia erfolgte. Die ersten Patrouillen wurden nach einer Studie der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ab 1982 im Departamento Quiche eingesetzt, das am stärksten vom Bürgerkrieg betroffen war, und kurz darauf auf weitere Hochlandsdepartamentos ausgedehnt.

Den Pac werden Tausende Menschenrechtsverbrechen und Morde zur Last gelegt, insbesondere während der Operationen Ceniza, Victoria 82 und Sofia. In diesen mit US-amerikanischer Hilfe durchgeführten Militäroperationen anfang der 1980er Jahre, die vorgeblich der Bekämpfung der Guerilla dienten, kamen Zehntausende Zivilisten ums Leben. Die ideologisch straff antikommunistisch ausgerichten Pac waren dabei auf Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen "spezialisiert". Den Pac gehörten um 1985 eine Million Bewaffnete an. Mit dem Ende des Bürgerkrieges wurde die Organisation offiziell aufgelöst.

Insgesamt starben im guatemaltekischen Bürgerkrieg (1960–1996) über 200.000 Menschen, weitere 45.000 gelten als vermisst.