Kolumbien: Attentat auf basisorganisiertes Gemeindewerk, Farc-Dissidenten im Verdacht

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Entscheidungen werden bei Ecaaas basisdemokratisch getroffen. Mittlerweile hat die Gemeindefirma 60.000 Nutzer:innen
Entscheidungen werden bei Ecaaas basisdemokratisch getroffen. Mittlerweile hat die Gemeindefirma 60.000 Nutzer:innen

Saravena. Basisorganisationen aus dem Departamento de Arauca haben einen Angriff mit Sprengstoff auf ihr selbstverwaltetes Versorgungsunternehmen angeprangert. Das gemeinschaftliche Unternehmen für Wasserversorgung, Müllabfuhr und Kanalisation der Gemeinde Saravena (Ecaaas ESP) ist seit Jahrzehnten ein Symbol erfolgreicher Selbstverwaltung in der Region.

Dem Angriff sind Drohungen eines Chefs von Farc-Dissident:innen vorausgegangen.

In einem Audio von Antonio Medina, Kommandant einer Dissidenten-Gruppe der Farc, die sich als "Frente 28" bezeichnet, sagte er kurz vor dem Attentat: "Die Idee ist, die Geschäfte dieser Typen zu sprengen". Dabei erklärte er den Verband der Bürgervertretungen der Landbezirke (Asojuntas), der Ecaaas mitverwaltet, zum militärischen Ziel. "All diese Scheiße gilt es zu töten", äußerte Medina weiter.

Wenige Stunden später wurde ein Sprengkörper gegen das Verwaltungsbüro von Ecaaas geworfen, obwohl 200 Meter entfernt eine Polizeisperre stand, so die lokale Menschenrechtsorganisation "Joel Sierra". Es gab keine Toten oder Verletzten.

Die Angriffe gegen Ecaaas sind nicht neu. Die Regierungen des ultrarechten Álvaro Uribe (2002–2006 und 2006–2010) und damalige Paramilitärs haben die Gemeindefirma als Verbündete der ELN-Guerilla angesehen, die in Arauca seit den 1980er-Jahren präsent ist. Ecaaas versteht sich als "Embryo von Volksmacht" und "Erbe des Widerstands". Sie wird durch die "Politische soziale Volksbewegung des zentralen Ostens Kolumbiens" geführt, die sich aus zahlreichen Basisorganisationen von Arauca zusammensetzt.

Die Führungsentscheidungen werden bei der Generalversammlung getroffen. Dabei sind die lokalen Organisationen der Kleinbauern, Indigenen, Bürgervertretungen der Landbezirke, Jugendliche, Frauen, Viehzüchter und die Gewerkschaft CUT vertreten. Was da entschieden wird, setzt das Verwaltungsorgan um. Vom Umsatz des Unternehmens wird die Wasserversorgung für mittellose Haushalte finanziert. Mittlerweile hat die Ecaaas 60.000 Nutzer:innen.

Die starke Vernetzung mit den kämpferischen Basisorganisationen von Arauca hat die Versuche des privaten Sektors und des Staats abgewehrt, Ecaaas zu übernehmen. Die Regierung Uribe schickte Mitglieder des Verwaltungsorgans anhand falscher Anschuldigungen ins Gefängnis. Paramilitärs haben damals mehrere Ecaaas-Anführer getötet.

Die basisorganisierte Firma wurde aber auch zum Opfer der Farc während der Auseinandersetzungen zwischen dieser Guerilla und der ELN am Ende der Nullerjahre. Damals hat die Farc Einrichtungen des Unternehmens mit Sprengstoff angegriffen.

Das jüngste Attentat gegen Ecaaas geschieht inmitten von Kämpfen zwischen der ELN und Strukturen von Farc-Dissident:innen, bei denen 27 Menschen getötet wurden (amerika21 berichtete). Die Entsendung von weiteren Soldaten durch die Regierung von Iván Duque als Reaktion auf die Gefechte der zwei bewaffneten Gruppen lehnen die sozialen Organisationen von Arauca ab.

"Anscheinend ist der Plan der Regierung für das Departamento eine Art Militärdiktatur, bei der die Streitkräfte alle Aufgaben des Staats übernehmen", äußert die Vereinigung von Jugendlichen und Studenten Kolumbiens (Asociación Nacional de Jóvenes y Estudiantes de Colombia, Anjeco).

Lokale Kleinbauerorganisationen klagen, Großunternehmen nutzten die Ankunft von weiteren Bataillonen der Armee für ihre Geschäfte. So setzte die Erdölfirma SierraCol Energy Limited gerade dank der Militarisierung eines ihrer Förderungsprojekte gegen den Willen der Gemeinden durch. Parallel dazu steige die Gewalt gegen die Sozialaktiven der Zone.