Kolumbien: Schwere Kämpfe zwischen Farc-Dissidenten und ELN in der Provinz Arauca

Tote bei Gefechten. ELN und Farc-Gruppierung machen sich gegenseitig verantwortlich. Streitkräfte in Venezuela in Alarmbereitschaft

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Venezolanische Soldaten sind verstärkt im Einsatz, um die Grenzregion zu schützen
Venezolanische Soldaten sind verstärkt im Einsatz, um die Grenzregion zu schützen

Arauca. Seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen der Guerilla Nationale Befreiungsarmee (ELN) und Farc-Dissidentengruppen im kolumbianischen Grenzgebiet Arauca sind 52 Familien auf der Flucht vor der Gewalt. Die bei den bewaffneten Konfrontationen getöteten 27 Menschen befinden sich zur Zeit in der Autopsie, wie Generalstaatsanwalt Francisco Barbosa mitteilte. Die Gefechte dehnten sich zum Teil auch auf venezolanisches Gebiet aus.

Rodrigo Londoño, Präsident der Partei Comunes, die aus der ehemaligen Farc-Guerilla hervorging, rief die dissidentischen bewaffneten Organisationen und die ELN dazu auf, die Kämpfe einzustellen. Londoño beschuldigte den Präsidenten Kolumbiens, Iván Duque, durch die Sabotage des Friedensprozesses und den Abbruch der Friedensverhandlungen mit der ELN für die Eskalation der Gewalt mitverantwortlich zu sein.

In einer Erklärung des Nationalen Politischen Rates der Partei Comunes zur Eskalation in der Provinz Arauca heißt es: "Gewalt kann kein Ausweg sein, der Dialog muss uns dazu führen, Probleme zu verstehen und zu lösen. In diesem Sinne fordern wir die bewaffneten Gruppen auf, einen Waffenstillstand zu schließen, sich zu einem Gespräch hinzusetzen und diese Welle der Gewalt, die einem revolutionären Prozess nicht förderlich ist, ein für alle Mal zu stoppen."

Kolumbiens Präsident beschuldigte derweil die venezolanische Regierung, den bewaffneten Gruppen Schutz und Unterschlupf zu gewähren, und kündigte an, Arauca zu militarisieren, um die Kontrolle über das Gebiet zu gewährleisten.

Verteidigungsminister Diego Molano gab die Verlegung von zwei Militärbataillonen bekannt, am vergangenen Mittwoch hätten 600 Soldaten das Departamento erreicht, "um die Sicherheit der Orte Puerto Nariño, La Esmeralda, Aguachica, La Paz und El Botalón zu gewährleisten".

Während die Regierung mit der weiteren Militarisierung der Provinz beschäftigt ist, kritisierten Bauernverbände und Menschenrechtsorganisationen, dass die massive Präsenz des Militärs keine dauerhafte Lösung zur Befriedung der Territorien darstelle. Die Ursachen für die seit Jahrzehnten von massiver Gewalt und Vertreibung betroffene kolumbianisch-venezolanische Grenzregion lägen vielmehr darin begründet, dass es an Maßnahmen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung dort mangele. Zudem habe der Staat kein Interesse, in die Region zu investieren und sei unfähig den Friedensvertrag umzusetzen, so dass es immer wieder zu Wellen der Gewalt komme.

Nach Aussagen der kolumbianischen Ombudsstelle (defensoría del pueblo) sind die Auslöser der aktuellen Konflikte in nicht eingehaltenen Abmachungen zwischen den Konfliktgruppen begründet. Diese würden die Region zwischen den beiden Ländergrenzen auch für ihre illegalen Geschäfte nutzen .

Laut dem Portal Kolumbieninfo haben die Farc-Dissidentengruppen unter Gentil Duarte und Iván Mordisco mit ihrer 10. und 28. Front in jüngster Zeit in der strategisch wichtigen Provinz an Boden gewonnen. Dies sorge für Konfrontationen mit der ELN, die um ihren Einfluss in einer ihrer Hochburgen fürchte. Nach verschiedenen Berichten seien mit der ELN auch Strukturen der Farc-EP, Zweites Marquetalia, verbündet. Die "Segunda Marquetalia" definiert sich selbst bis heute als revolutionäre kommunistische politisch-militärische Organisation, geführt von einer Gruppe von Kommandeuren, die die verschiedenen Blöcke und mobilen Kolonnen der entwaffneten Farc repräsentieren.

Am vergangenen Dienstag hat sich die ELN nun zu den Vorfällen geäußert. In dem Kommuniqué der "Frente de Guerra Oriental Manuel Vásquez Castaño" heißt es, es sei notwendig gewesen, "das Gebiet und seine sozialen Strukturen" gegen eine Offensive der dissidentischen Farc-Gruppe um Arturo Paz zu verteidigen, "die sich der Politik des kolumbianischen Staates und der USA untergeordnet" habe.

Die Regierung Duque verfolge zusammen mit der Drogenbehörde DEA und dem Auslandsgeheimdienst der USA (Central Intelligence Agency, CIA) "einen konterrevolutionären und gegen die Aufständischen gerichteten Plan entlang der gesamten kolumbianisch-venezolanischen Grenze". Zu diesem Zweck organisierten sie Banden, die mit dem Drogenhandel zu tun haben, mit einigen ehemaligen und demobilisierten Farc-Mitgliedern und paramilitärischen Organisationen wie Tren de Aragua, Los Rastrojos, Clan del Golfo usw.

Dem entgegen erklärte ein Sprecher der "Décimo Frente 'Martín Villalaut'" der Farc Medienberichten zufolge in einer Audio-Botschaft, die Konfrontation zwischen beiden Organisationen sei "von konterrevolutionären Sektoren innerhalb der ELN angezettelt und motiviert" worden. Es treffe auch nicht zu,  dass die Gruppe Zahlungen oder Treffen von den Gemeinden in der Region fordere, auch habe sie keine bewaffneten Streiks angeordnet.

Indes wurden die venezolanischen Streitkräfte (Fuerza Armada Nacional Bolivariana, FANB) in Alarmbereitschaft versetzt. Der strategische Kommandeur der FANB, Domingo Hernández Lárez, warnte indirekt die kolumbianische Armee vor Fällen sogenannter Falsos Positivos. So werden durch das kolumbianische Militär getötete Zivilisten bezeichnet, die fälschlicherweise als Mitglieder einer Guerillaorganisation präsentiert werden, um angebliche Erfolge im Kampf gegen die Aufständischen vorzuweisen.