Verhaftungen in Argentinien wegen Verbrechen der Militärdiktatur

argentinien_masacre_de_la_calle_corro.jpg

45 Jahre nach dem Massaker in der Calle Corro werden zehn Militärs von der Justiz zur Verantwortung gezogen
45 Jahre nach dem Massaker in der Calle Corro werden zehn Militärs von der Justiz zur Verantwortung gezogen

Buenos Aires. Auf Antrag des Bundesrichters Daniel Rafecas sind derzeit zehn ehemalige argentinische Militärangehörige in Haft. Ihnen werden vierfacher Mord, ein Mordversuch sowie Entführung in vier Fällen während der zivil-militärischen Diktatur in Argentinien (1976–1983) vorgeworfen. Vergangenen Mittwoch wurden die Beschuldigten erstmals einvernommen. Sie verweigerten jedoch die Aussage. Innerhalb von zehn Tagen muss nun über eine Anklageerhebung entschieden werden.

Die Beschuldigten sollen im September 1976 eine militärische Operation der Armee gegen ein geheimes Treffen von fünf Mitgliedern der linksperonistischen bewaffneten Organisation Montoneros kommandiert haben. Alberto José Molina Benuzzi, Ignacio José Bertrán, Ismael Salame und José Carlos Coronel wurden dabei erschossen.

Victoria Walsh, die Tochter des Schriftstellers und Journalisten Rodolfo Walsh, nahm sich in auswegloser Situation selbst das Leben. Ihre einjährige Tochter, die während des Angriffs anwesend war, wurde von den Militärs mitgenommen und später Familienangehörigen übergeben.

Lucy Gómez de Mainer, Maricel Mainer, Juan Cristóbal Mainer und Ramón Alcides Baravalle, Mitglieder jener Familie, in deren Haus das geheime Treffen stattgefunden hatte, wurden in geheime Folterzentren entführt, später jedoch wieder freigelassen.

Bei der Operation gegen die fünf Mitglieder der Montoneros im Stadtviertel Floresta von Buenos Aires waren mehr als 200 Angehörige von Militär, Polizei und Gendarmerie beteiligt. Es kamen Panzer und ein Hubschrauber zum Einsatz.

Bei den nunmehr Beschuldigten handelt es sich um die pensionierten Armeeangehörigen Héctor Eduardo Godoy, Gustavo Gilberto Tadeo, Danilo Antonio González, Abel Enrique Re, Carlos Alberto Orihuela, Ricardo Grisolía, Gustavo Antonio Montell, Hugo Eduardo Pochón, Domingo Armando Giordano und Guillermo César Viola. Letzterer kämpft seit Anfang der 2000er Jahre an vorderster Front gegen die Aufhebung der Amnestiegesetze und die damit verbundene Wiederaufnahme der Strafprozesse gegen die Täter der Militärdiktatur. Zwei Mal kandidierte er für die rechtsradikale Kleinpartei "Bewegung zur Wiederherstellung der Republik" (Morera).

Der Strafantrag in dem Fall war bereits im Mai 2017 von Patricia Walsh, der Schwester von Victoria Walsh, eingebracht worden. Sie ist in dem Verfahren Nebenklägerin. Ihre Anwältin Myriam Bregman sagte gegenüber Página 12: "Einer der erschütterndsten Aspekte an dem Fall ist die Tatsache, dass sich alle zehn nun verhafteten Personen zuvor auf freiem Fuß befanden, bei sich zu Hause, ohne irgendwelche Verfahren. Zehn Personen, die für einen Genozid verantwortlich sind, aber 45 Jahre lang ungestraft davonkamen."

Die Militäroperation vom 29. September 1976 ist in Argentinien unter anderem deshalb bekannt, weil der Schriftsteller und Journalist Rodolfo Walsh, Vater von Victoria, die Vorfälle wenige Monate später in einem Brief an Freunde aufarbeitete, der danach öffentlich gemacht wurde. Darin schreibt er: "Meine Tochter war fest entschlossen, sich nicht lebendig zu ergeben. [...] Vicki hätte auch andere Wege wählen können, die deswegen nicht unehrenhaft gewesen wären. Aber der, den sie wählte, war der gerechteste, der großzügigste, der vernünftigste. Ihr hell leuchtender Tod bringt ihr kurzes, wunderbares Leben auf den Punkt. Sie hat nicht für sich gelebt, sondern für andere, und diese anderen sind Millionen. Ihr Tod jedoch gehört auf glorreiche Weise ihr allein. An diesem Stolz richte ich mich auf, und ich werde aus ihr wiedergeboren.“

Rodolfo Walsh zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellern Argentiniens und zu den Vorreitern des "New Journalism". Bekannt wurde er mit dem 1957 erschienenen Buch "Operación Masacre", in dem er die Ermordung von peronistischen Regimegegnern durch die damalige Militärdiktatur aufarbeitete. In den 1970er Jahren schloss sich Walsh selbst, so wie auch seine Tochter, den Montoneros an. Im März 1977 wurde er von den Militärs in einen Hinterhalt gelockt und erschossen.