Guatemala / Soziales

Zunahme bei Feminiziden in Guatemala

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Engagement gegen verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Engagement gegen verbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Guatemala-Stadt et al. Für das Jahr 2021 wird in Guatemala ein neuer trauriger Höhepunkt bei der Ermordung von Frauen erreicht. In den ersten neun Monaten des Jahres gab es mehr Feminizide als im ganzen Jahr zuvor. Bereits Anfang des Jahres musste amerika21 von einer Welle an Feminiziden in Guatemala-Stadt berichten.

Nur wenige Fälle verschwundener Frauen erregen Aufmerksamkeit in dem mittelamerikanischen Land. Der Fall von Blanca R. und ihrer Tochter Angie C. ist ein solcher. Beide gingen zusammen am 5. September ins Haus des Ehemanns und Vaters und kehrten nicht zurück.

Nach dem Verschwinden lud "Alerta Isabel-Claudina" ein Post auf Facebook, mit der Bitte um Benachrichtigung, wenn die Frauen gesehen werden. Alerta Isabel-Claudina ist eine nationale Organisation, die verschwundene Frauen sucht und deren Fälle via Facebook bekannt macht. Täglich kann man auf ihrer Seite neue Suchen nach vermissten Frauen sehen. 2020 gab es insgesamt 1.563 Alarme, Anfang 2021 waren noch 301 Suchen aktiv. Auf Tage umgerechnet bedeutet dies, dass etwa fünf Frauen pro Tag in Guatemala verschwinden.

Am 8. September wurden Blanca R. und Angie C. tot gefunden. Der Ehemann und Vater steht unter dringenden Tatverdacht, da seine Beziehung zu Blanca R. als gewalttätige bekannt war. Blanca R. ließ sich seit zwei Jahren psychologisch von der NGO Fundación Sobrevivientes betreuen. Sie betreut unter anderem Frauen in gewalttätigen Beziehungen und leistet Hilfe, wenn diese nicht mehr weiter wissen. Fundación Sobrevivientes berichtet, dass beide Frauen auf dem Weg ins Haus des Ehemanns waren. Sie wurden auch im Garten des Hauses gesehen.

Die NGO Grupo de Apoyo Mutuo (GAM) machte indes darauf aufmerksam, dass in den ersten acht Monaten des Jahres 2021 die Anzahl getöteter Frauen im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent gestiegen ist. Bis Ende August gab es schon 396 Feminizide, im ganzen Jahr 2020 waren es 388. Insgesamt wurden im Zeitraum Januar bis August 21.317 Fälle von verbaler Gewalt angezeigt, 13.753 Fälle von physischer Gewalt und insgesamt 5.717 Vergewaltigungen. Im Vergleich zum Gesamtjahr 2020 kann bei gleichbleibendem Trend ein Anstieg vermutet werden.

Das feministische Magazin La Cuerda berichtete in der Ausgabe 226 Anfang des Jahres, dass im letzten Jahr bei der Polizei 51.854 Anzeigen eingingen, die thematisch zur Gewalt gegen Frauen gehören. Das seien etwa 80 Prozent der eingegangenen Anzeigen bei der guatemaltekischen Polizei. Dagegen stehen 690 Verurteilungen, darunter 98 wegen begangener Feminizide.

Letzten Samstag versammelte sich eine kleine Gruppe von Aktivist:innen vor der Staatsanwaltschaft, um gegen Gewalt und für die Verfolgung des Falles der beiden genannten Frauen zu demonstrieren.

Laut GAM liegt eine Ursache eines Großteils der Taten an der geringen Aufmerksamkeit, die sie in Guatemala erhalten: Die Bedrohung und Einschüchterung von Frauen werde verharmlost und könne so zu Tötungen eskalieren. Es zeige die frauenfeindliche Gesellschaft Guatemalas. "Ni una mujer menos, ni una muerta más" (Nicht eine Frau weniger, nicht eine Tote mehr) ist ein verbreiteter Aufruf, um diese Verhältnisse anzuprangern.