Lateinamerika / Karibik

Celac-Gipfel in Mexiko setzt Zeichen für lateinamerikanische Integration

Region will sich von der US-Dominanz freimachen. Wirtschaftliche Vision setzt auf eigene Entwicklung. Kuba und Venezuela selbstbewusst

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Mexiko war Gastgeber des Gipfeltreffens der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac)
Mexiko war Gastgeber des Gipfeltreffens der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac)

Mexiko-Stadt. Das Gipfeltreffen der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) ist mit einer 44-Punkte-Erklärung am Samstag zu Ende gegangen. Die Zusammenkunft auf höchster Ebene ist international viel beachtet worden, nachdem im Vorfeld Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador die Regionalorganisation als Alternative zur von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) empfohlen hatte. Die OAS solle durch ein Gremium ersetzt werden, das "niemandes Lakai ist".

Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard hatte dies als ein zentrales Thema des Gipfels angekündigt. Für 2022 solle ein Vorschlag vorbereitet werden, "den wir den USA und Kanada vorlegen, wie die Zukunft der OAS aussehen könnte, ob sie durch eine andere Organisation ersetzt werden, welche Eigenschaften sie haben und wie sie funktionieren würde."

Mexiko werde den Vorschlag unterbreiten, sobald ein Konsens in Lateinamerika und der Karibik erreicht sei. Für Handlungsoptionen wären die Stimmen von 26 der 34 Länder erforderlich, aus denen die Organisation besteht.

Mexikos Präsident setzte anlässlich des Gipfels auch einen wirtschaftlichen Schwerpunkt. Es sei wichtig, die Abhängigkeit von Importen zu verringern und "in Amerika das zu schaffen, was wir konsumieren". Amerika verfüge über die nötigen Arbeitskräfte und eine gute technologische Entwicklung. "Wir sind ein Kontinent, der reich ist an natürlichen Ressourcen und eine große kulturelle Vielfalt hat, die Entfernungen zwischen den Ländern ermöglichen es uns, Frachtkosten zu sparen und es gibt eine ausreichende Nachfrage nach Waren", erklärte López Obrador. Er schlug ein Abkommen zwischen den Celac-Ländern und den USA und Kanada vor, um den Binnenmarkt des Kontinents zu stärken.

Die Staats- und Regierungschefs der Celac haben sich auf eine 44 Punkte umfassende Erklärung geeinigt, wie Ebrard bekanntgab. Diese habe wochenlange Verhandlungen erfordert, die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten und ihre Positionen seien zusammengetragen worden. Das Dokument  werde "zu gegebener Zeit veröffentlicht".

"Trotz der bestehenden Meinungsverschiedenheiten, die schwerwiegend und wichtig sind, hat das Treffen stattgefunden und es wurden mehrere wichtige Entscheidungen getroffen", so Ebrard. Als regionales Gremium seien Erklärungen zur Beendigung der Wirtschaftsblockade gegen Kuba, zum Konflikt um die Malvinen und zum bevorstehenden Klimagipfel in Glasgow verabschiedet worden.

"Der Fonds zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels wird eingerichtet", informierte er über eine weitere Vereinbarung. Dabei erwähnte der Außenminister, dass von den Industrieländern zugesagte 100 Milliarden US-Dollar in Lateinamerika und der Karibik noch nicht angekommen seien.

Bezüglich des Internationalen Währungsfonds (IWF) wollen die Celac-Länder eine "gemeinsame Position" einnehmen und vertreten, "dass der Zugang zu den Ressourcen der Institution sehr ungleich ist", erklärte er.

Ein weiterer Punkt war die Corona-Pandemiebekämpfung. "Es war sehr schwierig, Impfstoffe zu erhalten, es war ungerecht und missbräuchlich, dass so viele Länder keinen Zugang hatten", sagte Ebrard. Celac werde Maßnahmen fördern, um die Produktion von Impfstoffen in der Region zu steigern.

Auch im Technologiesektor hat der Gipfel Vereinbarungen getroffen. Dazu gehört die Einrichtung einer Raumfahrtbehörde, damit die Region beim globalen Fortschritt eines Sektors vertreten ist, der die Zukunft der Menschheit prägen werde. "Wir werden zusammenarbeiten, damit wir nicht zu spät kommen, damit wir Technologie haben und unsere Möglichkeiten des Wohlstands verbessern", schloss der Außenminister des Gastgeberlandes.

Neben dem Abschluss von Vereinbarungen erlebte das Treffen Angriffe rechtsgerichteter Regierungen gegen Kuba, Venezuela und Nicaragua sowie Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Einschätzung der OAS.

Mehrere rechte Regierungschefs nahmen Berichten zufolge Anstoß daran, dass die Präsidenten Kubas und Venezuelas vom mexikanischen Präsidenten "in allen Ehren" empfangen wurden.

Der Präsident Paraguays, Mario Abdo, sah sich zu der Stellungnahme veranlasst, dass seine Teilnahme am Gipfel "in keiner Weise eine Anerkennung der Regierung von Nicolás Maduro" darstelle. Der Präsident von Uruguay, Luis Lacalle Pou erklärte Kuba, Venezuela und Nicaragua zu "Ländern, in denen es keine vollständige Demokratie gibt". Das Außenministerium Kolumbiens veröffentlichte eine Protestnote gegen die Anwesenheit des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro.

Lacalle Pou hatte seine Rede damit begonnen, dass sein Land Teil von Celac sei, weil die Regionalorganisation "ihre Beziehungen zu anderen Ländern der Welt ausgeweitet hat". Dies bedeute aber nicht, "dass die Teilnahme an der OAS uninteressant geworden ist".

In der Tat gewinnt Celac, dessen Gründungsgipfel 2011 in Caracas war, mit den regelmäßigen Gesprächsformaten Celac-EU-Gipfel und Celac-China-Forum zunehmende Bedeutung über die Region hinaus. Als ein Zeichen kann gewertet werden, dass Chinas Präsident Xi Jinping eingeladen war, am Samstag eine Videoansprache an das Gipfeltreffen zu richten. Dabei versicherte Xi, China sei bereit, eine gemeinsame Zukunft zwischen China und Lateinamerika mit aufzubauen.

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel antwortete dem uruguayischen Präsidenten ausführlich. Dessen Rede habe einen Mangel an Kenntnis der Realität in Kuba gezeigt. Die Blockade sei das Haupthindernis für die aktuellen Probleme der Insel, und diese habe er in seiner Rede nicht einmal erwähnt. Vielmehr habe er die Monroe-Doktrin und die OAS verteidigt.

"Hören Sie auf Ihr Volk, das gerade mehr als 700.000 Unterschriften gegen Ihr neoliberales Paket gesammelt hat", fügte Díaz Canel in Anspielung auf die laufenden Proteste in Uruguay gegen von der Regierung verabschiedete Dringlichkeitsgesetze (Ameria21 berichtete) hinzu.

Er kritisierte Lacalles Pou auch dafür, dass dieser "Instabilität und Finanzspekulationen, unbezahlbare Auslandsschulden und die Armut und Ungleichheit, die Kluft zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden aufgrund der Diskriminierung, die auch von der OAS unterstützt wird", nicht erwähnt habe.

Maduro reagierte ebenfalls auf die Vorhalte seiner rechts stehenden Amtskollegen und schlug dem paraguayischen Präsidenten vor "Datum, Ort und Zeit für eine Debatte über Demokratie in Paraguay, in Venezuela und in Lateinamerika" festzulegen. Venezuela sei bereit, über alles "mit Respekt, ohne Ausschlüsse" zu diskutieren.

Er betonte jedoch, dass "wir die internationale Politik nicht ideologisieren sollten, die im Dienste des internationalen Rechts und der großen Interessen der Region stehen sollte". Er appellierte, die Spaltungen in Lateinamerika zu beenden. Man sei hierher gekommen, "um die Hand auszustrecken, um zu arbeiten, um einen Dialog zu führen und um die großen Dinge gemeinsam anzugehen". Die Sorge müsse sein, die Vorschläge aus den 44 Punkten der gemeinsamen Erklärung in Aktionen und gemeinsame Politiken Lateinamerikas und der Karibik umzusetzen. Deren wesentliche Themen seien "die Krise des Klimawandels und der Pandemie und die soziale Krise, neben anderen Themen von Interesse".

Die 2011 in Caracas gegründete Celac besteht aus allen souveränen Staaten Amerikas außer Brasilien, Kanada und den USA. Die Regierung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro hatte im Januar 2020 den Austritt des Landes erklärt, weil es laut seinem Außenminister Ernesto Araujo in der Celac einen "kommunistischen Dunstkreis" gebe, der eine "Strangulierung" Brasiliens anstrebe.