Milliarden-Finanzspritze des IWF für Venezuela

Opposition muss implizite Anerkennung der Regierung Maduro hinnehmen. KP warnt vor "schweren Folgen" für Lohnabhängige bei Rückkehr zu Finanzinstitutionen des Washington-Konsens

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Kehrtwende beim IWF in der Politik gegenüber Venezuela?
Kehrtwende beim IWF in der Politik gegenüber Venezuela?

Washington/Caracas. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die venezolanische Zentralbank (BCV) mit 5,1 Milliarden US-Dollar ausgestattet. Damit sind die Devisenreserven Venezuelas um 83 Prozent gestiegen.

Noch im März hatte sich der Fonds geweigert, dem Land Sonderziehungsrechte zu überlassen. Die Guthaben Venezuelas in SZR sind ein Teil der Währungsreserven des südamerikanischen Landes.

Die bahnbrechende Finanzspritze kommt trotz jahrelanger Anti-IWF-Rhetorik aus Caracas und angespannter Beziehungen zum IWF, den die Regierung von Präsident Nicolás Maduro als "imperialistische Institution mit Sitz in Washington" bezeichnet hat.

Sonderziehungsrechte werden vom IWF als verzinsliche, nicht rückzahlbare Reserveaktiva beschrieben, die sich aus den Quoten der Mitglieder ergeben und durch Dollar, Euro, Yen, Pfund Sterling und Yuan gedeckt sind. Sie wurden 1969 eingeführt und sollen "andere Reserveaktiva ergänzen" und "die Abhängigkeit der Mitglieder von teureren inländischen oder ausländischen Schulden verringern". SZR sind im Allgemeinen für den Tausch von Waren und Dienstleistungen auf dem internationalen Markt reserviert und werden zur Stabilisierung von Volkswirtschaften eingesetzt.

Durch den Erhalt der SZR stiegen die Devisenreserven Venezuelas letzte Woche auf ein Fünfjahreshoch von 11,3 Milliarden Dollar. Sie waren von 21 Milliarden Dollar im Jahr 2013 auf einen historischen Tiefstand gesunken. Die Regierung Maduro versuchte, die Auswirkungen des starken Rückgangs der Öleinnahmen und der von den USA verhängten Sanktionen abzumildern, die dem Land den Zugang zum globalen Banken- und Finanzsystem, einschließlich Anleihen, Krediten und anderen Finanzierungsprogrammen, verwehrt haben.

Im März lehnte der IWF einen Antrag der Regierung Maduro auf eine Notfinanzierung ab. Damals behauptete die Institution, dass die teilweise internationale Anerkennung der "Übergangsregierung" von Juan Guaidó und seines parallelen BCV-Vorstands zu einem "Mangel an Klarheit in der internationalen Gemeinschaft sowie in der IWF-Mitgliedschaft hinsichtlich der offiziellen Anerkennung der Regierung" geführt habe.

Jüngste Fortschritte in den Verhandlungen zwischen der von den USA unterstützten Opposition und der Regierung Maduro in Mexiko haben offenbar den Weg für eine IWF-Finanzierung für die klamme Regierung geebnet. In einer gemeinsamen Erklärung nach der letzten Gesprächsrunde Anfang des Monats wurde der Zugang zu den SZR als eine Priorität zur "Verteidigung der venezolanischen Wirtschaft" genannt.

Gegenüber venezuelanalysis erklärte der ehemalige Wirtschaftsminister Luis Salas, dass die IWF-Finanzierung eine faktische Anerkennung der Maduro-Regierung darstelle und ein "starker Rückschlag für die Guaidó-Opposition" sei.

"Es wird interessant sein zu sehen, was sie [das Guaidó-Lager] im Gegenzug fordern (...) Vielleicht eine gewisse Kontrolle über die Verwendung der Mittel, einen Sitz im Vorstand der BCV oder eine größere finanzielle Transparenz", sagte er fort und fügte hinzu, dass es "wahrscheinlich" sei, dass mit den Mitteln auch eine IWF-Delegation nach Venezuela kommen werde.

Die Aufstockung der internationalen Reserven hat nicht nur das Vertrauen in die venezolanische Wirtschaft gestärkt, sondern auch zu zahlreichen Spekulationen über die Verwendung der Gelder geführt.

Nach Ansicht von Salas werden die Mittel für die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie verwendet. Der Wirtschaftswissenschaftler der Opposition, Francisco Rodríguez, betonte jedoch, dass sie für ein "Programm zur wirtschaftlichen Erholung" verwendet werden sollten. Er wies insbesondere auf die Notwendigkeit hin, den "Import von für das Funktionieren der [Industrie] notwendigen Materialien" sicherzustellen.

Der weit rechts stehende Wirtschaftswissenschaftler Leonardo Vera betonte, dass die Mittel zur Stabilisierung und "Verteidigung" des Wechselkurses gegen "unerwartete externe Schocks" wie einen erneuten Rückgang der Ölpreise verwendet werden sollten. Außerdem beglückwünschte er die Regierung zu ihrer neuen Akzeptanz der IWF-Finanzierung und merkte an, dass "Maduro und seine sieben Zwerge aus einem schlechten Traum erwacht zu sein scheinen".

Die Bindung an die viel kritisierte Finanzinstitution wurde von einigen linken Organisationen Venezuelas scharf abgelehnt.

So warnte die Kommunistische Partei (PCV): "Es wäre naiv zu glauben, dass die Kräfte hinter dem IWF die Mittelvergabe nicht ausnutzen werden, um Bedingungen aufzuerlegen, die schwerwiegende Folgen für die Arbeitnehmerrechte haben können". Die PCV erklärte weiter, dass dieser Schritt eine "klare Botschaft des Vertrauens an die USA und das transnationale Monopolkapital" sende und dass "das derzeitige wirtschaftliche Sparprogramm der Regierung weitgehend mit dem neoliberalen Programm des IWF übereinstimmt".