Genossenschaft in El Salvador wehrt sich gegen Landraub

Unrechtmäßige Vergabe von doppelten Urkunden für Landeigentum. Genossenschaft La Normandía kämpft vor Gericht. Erzbischof und NGOs unterstützen die Wahrung ihrer Rechte

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Demonstration und Forderung für Gerechtigkeit für La Normandía
Demonstration und Forderung für Gerechtigkeit für La Normandía

Jiquilisco. Mitglieder der Genossenschaft La Normandía haben am 15. Juli vor dem Bezirksgericht in Usulután gegen eine richterliche Entscheidung in einem seit Jahren andauernden Landkonflikt demonstriert. In dem Verfahren geht es um Besitzansprüche an 928 Hektar Land, auf dem aktuell über 700 Familien leben.

Neben der Genossenschaft erheben weitere Personen den Anspruch, rechtmäßige Eigentümer von Anteilen der bewohnten Landfläche zu sein. Die Kooperative reichte inzwischen eine Beschwerde gegen den zuständigen Richter Adrián Humberto Muñoz Quintanilla ein. Als Begründung führten sie Unregelmäßigkeiten im Verfahren und Parteilichkeit des Richters an.

Die Genossenschaft La Normandía gründete sich nach der Agrarreform im Jahre 1980 und begann, die Ländereien produktiv zu nutzen. Heute gehören ihr 269 Gesellschafter:innen an. Ein Großteil der Fläche wird für den Anbau von Mais, Zuckerrohr und Bananen genutzt. Viehzucht wird ebenfalls betrieben. Isaías Blanco, Präsident der Genossenschaft, betont, dass sie zudem für viele Arbeitsplätze in der Region sorgen und ein Teil der betroffenen Fläche Naturschutzgebiet ist.

Nach der Zuteilung des Landes in den 1980ern waren im Dezember 1996 die vereinbarten jährlichen Abgaben abbezahlt und das Salvadorianische Institut für landwirtschaftliche Transformation (ISTA) stellte der Genossenschaft entsprechende Eigentumsurkunden aus.

Im folgenden Jahr stellte der damalige Bürgermeister Jiquiliscos Fredy Mancía (Christlich Demokratische Partei) trotz der verkauften Landtitel des ISTA drei "zusätzliche Eigentumsurkunden" aus. Urkunden dieser Art dürften jedoch nur von einer Justizbehörde und nicht von einem Gemeindevertreter ausgestellt werden.

"Das Gesetz ist klar, der Bürgermeister hat nicht die rechtliche Befugnis, Eigentumsurkunden auszustellen", erklärte Blanco. Als die angeblichen Landbesitzer dann Eigentumsansprüche stellten, begann 2008 ein Gerichtsverfahren, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Die richterlichen Entscheidungen verstoßen nach Einschätzung von Genossenschaftsmitgliedern gegen das Grundrecht auf Zugang zur Justiz. Blanco spricht von einer "Verschleppung des Verfahrens".

Der Streit um Land ist in El Salvador von politischen und wirtschaftlichen Interessen geprägt. "Ich glaube, das Ziel dieser Leute ist es, uns finanziell zu zermürben, denn die Bank hat unsere Konten eingefroren und uns um 314.000 US-Dollar bestohlen", sagte Blanco bei einer Pressekonferenz an den letzten Verhandlungstagen.

Damit spricht Blanco ein Urteil aus dem Jahr 2014 an: Die Genossenschaft wurde wegen verursachter Schäden auf den Ländereien zu einer Geldstrafe in Höhe von 314.000 US-Dollar verurteilt. Sie legte Berufung gegen dieses Urteil ein und zahlte die Summe vorerst nicht. Daraufhin wurden die genossenschaftlichen Bankkonten eingefroren und die Kooperative damit zahlungsunfähig.

Als weitere Landurkundenbesitzer sind Elba Josefina Peña (für 240 Hektar) und die Textilgesellschaft Giulianna S.A de CV (für 345 Hektar) gelistet. Gesetzlich vertreten wird letztere durch Roberto Bukele Simán und Pedro Regalado Cuéllar.

Bukele Simán, Onkel des amtierenden Präsidenten Nayib Bukele hatte über Beziehungen zu dem aktuellen juristischen Sekretär des Präsidenten, Conan Castro, versucht, das Land für sich zu beanspruchen. Auch wenn Castro zur damaligen Zeit noch kein Regierungsbeamter war, sondern ausschließlich Anwalt von Bukele Simán, gibt es nach Aussage von René Diaz von der Genossenschaft Normandía in diesem Fall "Manipulationen, an denen Castro beteiligt gewesen ist".

Auch der Erzbischof von San Salvador, José Luis Escobar Alas, hat sich in der vergangen Woche zu dem Fall geäußert und ihn als "Betrug" bezeichnet. Er benannte die Genossenschaftsmitglieder als "rechtmäßige Eigentümer und Besitzer der Landflächen".

Der Präsident des Salvadorianischen Zentrum für angewandte Technologie, Ricardo Navarro, ist der Ansicht, dass die willkürliche Handhabung des geltenden Rechtes in diesem Fall erneut die wirtschaftlich weniger einflussreichen Menschen benachteiligt. "Dieser Fall der Genossenschaft Normandía ist ähnlich zu dem Fall des Valle El Àngel (amerika21 berichtete), wo das Menschenrecht auf Wasser betroffen ist […] In El Salvador kommt die Gewalt gegen die Rechte der Menschen von ganz oben, vom Präsidenten angefangen reproduziert sie jeder bis hin zu den Richtern in erster Instanz."