Haiti

Präsident von Haiti mutmaßlich von Söldnertruppe ermordet

Polizei nimmt kolumbianische Ex-Militärs und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft fest. Motive der Tat noch unklar

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Noch immer wird nach Gründen für die Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse gesucht
Noch immer wird nach Gründen für die Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse gesucht

Port-au-Prince. Nahezu 40 Stunden nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse haben Sicherheitskräfte 17 Tatverdächtige in einer großangelegten Operation festgenommen. Die Polizei geht von einer Gruppe von insgesamt 28 Tätern aus, die ihr Opfer vor der Tötung gefoltert haben sollen. 15 der Festgenommenen erwiesen sich als Ex-Militärs aus Kolumbien, wie die kolumbianische Regierung inzwischen bestätigte. Zwei weitere Festgenommene sollen US-Amerikaner haitianischer Herkunft sein, die als Übersetzer dienten. Über die Hintergründe des tödlichen Angriffs ist bisher nichts bekannt.

Drei Verdächtige wurden laut Polizeidirektor Léon Charles bei einem Schusswechsel von Polizisten getötet. Dabei konnten drei als Geiseln genommene haitianische Polizeibeamte befreit werden. Weitere acht Kolumbianer befänden sich noch auf der Flucht. Elf festgenommene Tatverdächtige, von denen unklar ist, ob sie zu den 17 zuvor erwähnten gehören, wurden innerhalb der taiwanesischen Botschaft festgenommen. Eine Erklärung, warum sie sich dort aufhielten, liegt nicht vor. Besondere Fragen wirft auf, wieso die Leibgarde des Präsidenten nicht zu dessen Schutz eingreifen konnte.

US-Präsident Joe Biden, das US-Außenministerium sowie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilten den Mord. Ebenso äußerten sich das Vereinigte Königreich, Frankreich, Spanien und mehrere Länder Lateinamerikas wie auch Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, warnte vor einer weiteren Destabilisierung des Landes und einer drohenden Gewaltspirale. Auch der UN-Sicherheitsrat, der am Donnerstag hinter verschlossenen Türen tagte, warnte vor einer Eskalation der Situation. Laut der UN-Sonderbeauftragten für Haiti, Helen La Lime, soll der bisherige Premierminister Claude Joseph die Karibiknation bis zu einer Wahl führen.

Kolumbiens Präsident Iván Duque entsandte eine Kommission zur Unterstützung der Ermittlungen nach Haiti. Interpol forderte unterdessen weitere Informationen seitens der kolumbianischen Regierung und Polizei an.

Über die Verdächtigen ist mittlerweile mehr bekannt geworden. Laut dem haitianischen Botschafter in Washington, Bocchit Edmond, sollen die Täter professionelle Söldner sein. Diese gaben sich demnach als Agenten der US-amerikanischen Antidrogenbehörde Drug Enforcement Administration (DEA) aus. Das US-Außenministerium stritt allerdings jegliche Verwicklung der DEA ab. Die kolumbianischen Tatverdächtigen hielten sich wohl bereits seit 32 Tagen oder mehr in Port-au-Prince auf. Gegen vier Firmen, die die Verdächtigen rekrutiert haben sollen, wird in Kolumbien ermittelt.

Nach der Ermordung Moïses hat der ehemalige Interims-Premierminister Claude Joseph einen 15-tägigen Ausnahmezustand ausgerufen. Diese Zeit solle dafür genutzt werden, die Ermittlungen voranzubringen sowie spezielle Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen.

Die politische Machtsituation Haitis bleibt chaotisch. Die Verfassung des Karibikstaates besagt, dass die Minister unter der Leitung des Premierministers im Falle eines vakanten Präsidentenamtes die Kontrolle übernehmen, bis Wahlen einberufen werden können. Jedoch hat Claude Joseph sich inzwischen selbst zum Interimspräsidenten erklärt. Noch einen Tag vor seiner Ermordung ernannte Moïse Ariel Henry zum nächsten Premierminister. Dieser konnte jedoch keinen Amtseid ablegen. Henry stellt sich gegen Joseph und fordert dessen Rücktritt.

In den letzten Monaten stieg die Gewalt in dem ärmsten Land der Karibik kontinuierlich an. Moïse wurde bezichtigt, kriminelle Banden genutzt zu haben, um seine politischen Pläne durchzusetzen. Die Gültigkeit seiner Amtszeit war heftig umstritten.

In Haiti würden am 26. September Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden. Am selben Tag soll das von Moïse vorangetriebene Verfassungsreferendum stattfinden, das unter anderem die Abschaffung des Premierministers und des Senats vorsieht. Moïse regierte per Dekret, seit das Parlament im Januar 2020 suspendiert wurde und sein Präsidialmandat nach Auffassung der Opposition am 7. Februar dieses Jahres auslief.

Zu den letzten Maßnahmen des Präsidenten vor seiner Ermordung gehörte die Ernennung des nunmehr fünften Premierministers. Außerdem dekretierte er die "Entlastung" aller ehemaligen Premierminister und Minister, die zwischen 1991 und 2017 in ihren Funktionen waren. Damit werden die Betreffenden durch keine parlamentarischen Untersuchungen über eventuelle Verfehlungen mehr an einer erneuten Kandidatur bei Wahlen gehindert.