Peru / Politik

Massaker mit 16 Toten überschattet Wahlkampf in Peru

Behörden machen Leuchtenden Pfad-Guerilla verantwortlich. Politiker instrumentalisieren Tragödie für "Angstkampagne" im Wahlkampf

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16 Menschen wurden in der Ortschaft San Miguel del Ene (Vraem) getötet
16 Menschen wurden in der Ortschaft San Miguel del Ene (Vraem) getötet

Lima. Vergangenen Sonntag haben Unbekannte 16 Menschen – darunter mehrere Kinder – in einem Dorflokal in San Miguel del Ene getötet. Der Angriff ereignete sich in der Provinz Satipo im sogenannten Vraem (Valle de los Ríos Apurímac, Ene y Mantaro), einem der Hotspots der peruanischen Drogenproduktion. Obwohl die Täter noch nicht eindeutig identifiziert werden konnten, schreiben Behörden und Politiker aus dem Lager der Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori die Tat Überbleibseln der maoistischen Guerilla Leuchtender Pfad (SL) zu. Der SL ging in den 1980er und 90er Jahren im Zuge eines bewaffneten Konflikts mit dem peruanischen Staat auch gegen die Zivilbevölkerung vor.

Am Tatort wurden Flugblätter der "Militarisierten Kommunistischen Partei Perus", einer Nachfolgeorganisation des SL, gefunden, auf denen diese gegen die Wahl Keiko Fujimoris aufrief sowie einen allgemeinen Wahlboykott verlangte. Fujimori-Verbündete griffen dies in den Sozialen Medien sogleich auf. Mehrmals hatten sie in der Vergangenheit Linkskandidat Pedro Castillo angebliche Verbindungen zum SL vorgeworfen.

Indigene Organisationen der Region haben nach der Gewalttat beklagt, dass sie "Zeugen des schrecklichen Vormarsches des Drogenhandels" seien und kritisierten die "politische Instrumentalisierung der Geschehnisse" im Wahlkampf. Die lokalen Polizeibehörden hatten zunächst ebenfalls Drogenbanden verantwortlich gemacht, bevor die Darstellung von Seiten der Streitkräfte geändert wurde.

"Mich beunruhigt, dass die nationale Presse Dinge sagt, die wir nie verlautbart haben", kommentierte der lokale Friedensrichter der Gemeinde San Miguel del Ene, Leónidas Casas, der das Massaker bei der Polizei gemeldet hatte. "Die Selbstverteidigungskomitees und die Bevölkerung waren die ersten Zeugen, die am Tatort ankamen. Sie fanden Flugblätter mit dem Bekenntnis der Gruppe, aber das bedeutet nicht, dass es nicht auch eine andere kriminelle Gruppe gewesen sein kann, die ihren Namen benutzt hat."

Der Narco-Experte Jaime Antezana geht von Drogenbanden aus, die einem möglichen Wahlsieg Fujimoris in die Hände spielen wollen und verweist auf zwei ähnliche Massaker kurz vor den Präsidentschaftswahlen 2011 und 2016, bei denen sich Fujimori ebenfalls für die Präsidentschaft bewarb. "Der Fujimorismus hat immer vom Terrorismus gelebt. Jedes Mal wenn er es brauchte, gab es einen Überfall im Vraem durch die Organisation von [SL-Kommandant] Quispe Palomino oder sie fabrizierten direkt gefälschte rote Fahnen mit Hammer und Sichel oder Wandbemalungen in Lima und den Provinzen."

Immer wieder kommen Vorwürfe gegen die Familie Fujimori auf, direkt oder indirekt in den Drogenhandel involviert zu sein.

Die Identität der Angreifer, die laut Zeugenaussagen in Zivil gekleidet waren, bleibt weiterhin unbekannt. Präsident Francisco Sagasti forderte auf Twitter die Aufklärung der Tat und kündigte an, dieser "Terrorakt soll nicht ungestraft bleiben".

Den letzten Umfragen zufolge liegt Castillo weiterhin vor der Aspirantin von "Fuerza Popular" (Volkskraft, FP). Bei der Wahlsimulation, die vom Demoskopieinstitut Ipsos durchgeführt wurde, führt der Lehrer mit 5,2 Prozentpunkten Vorsprung (ungültige Stimmen rausgerechnet). Vor allem im ländlichen Raum würden ihm 72 Prozent die Stimme geben. Generell tendieren alle Regionen zur Wahl des Cajamarquinos, bis auf die Hauptstadt Lima, wo seine Kontrahentin 68 Prozent der Stimmen holen würde.

Laut Beobachtern scheint nur dort die massive Angstkampagne von FP zu wirken, in allen anderen Landesteilen stieg die Zustimmung zu Castillo seit der voherigen Wahlumfrage. Der Poltitikwissenschaftler Alejandro Mejía, Dozent an der San Marcos-Universität, sieht hier die Schwäche der Kandidatin: "Die Angstkampagne vor dem Kommunismus hat sich bereits abgenutzt und Fujimori bietet nichts Neues und scheint keine Formel zu finden, um Vertrauen zu gewinnen."

Die Leugnung der Zwangssterilisationen unter der Regierung ihres Vaters, Alberto Fujimori (amerika21 berichtete), wie auch die Zusage, den zu 25 Jahren Gefängnis Verurteilten im Falle ihres Wahlsieges begnadigen zu wollen, sind Ausdruck der "alten Politik", die zunehmend von vielen Peruanern abgelehnt wird.

Castillo habe demgegenüber den Nimbus des Aufbruchs, muss aber mit seinen eigenen Problemen kämpfen. So hat er es noch nicht geschafft, seinen Regierungsplan zu verdeutlichen. Er präsentiert vage Vorschläge, wie zum Beispiel die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, und er hat das Problem, die unentschlossenen Wähler davon überzeugen zu können, dass er die Verfassung respektieren wird.

Die TV-Debatte vergangenen Sonntag, in der sich die potentiellen Regierungsmitglieder gegenüberstanden, waren weniger von inhaltlich stichhaltigen Argumenten geprägt als dem Fingerzeig auf gegenseitige Schwächen. Während das Team von Fujimori die Unerfahrenheit und Improvisation von Castillos Partei Peru Libre (Freies Peru) betonte, verwies Castillos Kollektiv auf die autoritäre Regierungszeit Alberto Fujimoris und die Korruptionsskandale seiner Tochter. Falls Keiko Fujimori die Präsidentschaft nicht erringen sollte, sieht sie sich mit mehreren Anklagen wegen Geldwäsche und illegaler Wahlkampffinanzierung konfrontiert.