Mexiko / Menschenrechte

Mexiko: Mütter der Verschwundenen fordern konsequentes Handeln der Regierung

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"Helft uns, sie zu finden": Angehörige von Verschwundenen demonstrierten am 10. Mai u. a. in Mexiko-Stadt
"Helft uns, sie zu finden": Angehörige von Verschwundenen demonstrierten am 10. Mai u. a. in Mexiko-Stadt

Mexiko-Stadt. Zum Muttertag am 10. Mai sind in der Hauptstadt und in mehreren Bundesstaaten Mexikos Mütter und Angehörige von Verschwundenen auf die Straße gegangen, um auf die mangelnde Hilfe des Staates bei der Suche aufmerksam zu machen.

"Präsident Andrés Manuel López Obrador hat bei seinem Amtsantritt versprochen, uns zur Priorität zu machen. Leider müssen wir jeden Tag feststellen, dass seine Regierung genau wie jede andere davor keine effizienten Maßnahmen in die Wege leitet, um unsere Söhne und Töchter zu suchen und zu finden", sagten sie dem Portal "Desinformémonos".

"Der 10. Mai ist kein Feiertag, er ist ein Kampftag", heißt seit vielen Jahren das Motto der Angehörigen, die sich in immer länger werdenden Zügen unter dem "Denkmal der Mutter" in der Hauptstadt versammeln, um dann die zentrale Avenida Reforma entlang zu ziehen. Sie tragen die Fotos der Verschwundenen auf Transparenten, auf T-Shirts und sogar auf ihren Mund-Nase-Masken.

Offiziellen Angaben der Regierung zufolge gelten mehr als 87.000 Menschen in Mexiko als vermisst. Gleichzeitig sind die Überreste von mehr als 50.000 Toten aufgrund fehlenden Fachpersonals noch nicht identifiziert und forensisch untersucht worden. Die meisten von ihnen sind Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen, das heißt, sie wurden von Mitgliedern der organisierten Kriminalität oder von korrupten Militär- und Polizeiangehörigen entführt.

Der bekannteste Fall sind die 43 Lehramtsstudenten, die am 26. September 2014 verschwanden. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Militär darin verwickelt ist.

Seitdem der damalige Präsident Felipe Calderón Ende 2006 in einem vermeintlichen "Krieg gegen die Drogen" das Land militarisierte, schreiben zivilgesellschaftliche Organisationen der Armee zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu. Oft stecken die Sicherheitskräfte mit der organisierten Kriminalität unter einer Decke.

López Obrador ist 2018 mit dem Versprechen angetreten, die Korruption zu bekämpfen. Doch die zahlreichen Suchkollektive, die in vielen Bundesstaaten bestehen und auf eigene Kosten auf verlassene Felder fahren, um dort nach klandestinen Gräbern zu suchen, sind von seiner Regierung enttäuscht. So hat Amlo, wie er von seinen Anhänger:innen genannt wird, die Präsenz des Militärs in den Straßen verlängert.

In diesem Jahr wandte sich die Dachorganisation "Bewegung für unsere Verschwundenen in Mexiko" (MovNDMx) mit der Forderung an ihn, eine Reform des Gesetzes über die Generalstaatsanwaltschaft zu überarbeiten. Mehrere Passagen bedeuteten Einschnitte in die Rechte der Familien von Angehörigen. Auf die Kritik der Kollektive seien die zuständigen Ausschüsse des Parlaments nicht eingegangen. Vor allem aber solle das versprochene Geld für die Suche von Gräbern endlich ankommen, sowie die "forensische Krise" angegangen werden. MovNDMx fordert ein Treffen mit dem Präsidenten.

Derweil machten Angehörige ihrem Ärger und ihrem Schmerz auf der Avenida Reforma Luft. "Mein Sohn, höre mich, deine Mutter kämpft für dich", riefen Teilnehmer:innen der zehnten "Demonstration für die Würde". Im Jahr 2012 hatten erstmals Suchkollektive aus dem Norden des Landes den Protest im Zentrum der Hauptstadt organisiert. Mittlerweile sind so viele dabei, dass die Rotunde um den "Engel der Unabhängigkeit", eine riesige Siegessäule, von Transparenten mit den Bildern der Verschwundenen verdeckt ist.

"Diese Tragödie betrifft nun das gesamte mexikanische Territorium, deshalb werden wir unseren Marsch nicht aufgeben. Solange wir unsere verschwundenen Angehörigen nicht bei uns haben, werden wir dem Staat weiterhin sagen, dass er durch seine Trägheit und Unterlassung für diese humanitäre Tragödie verantwortlich ist", hieß es.

Die Corona-Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Kollektive gehabt. Viele Angehörige verzweifelten, als aufgrund der Lockdown-Maßnahmen die Suche zeitweise eingestellt wurde. Mittlerweile gibt es die Suchaktionen wieder. Das Motto der diesjährigen Demonstrationen war: "Mein Sauerstoff bist du, den ganzen Weg bis ich dich finde."