Kolumbien / Politik

Kolumbien: Linker Kandidat führt in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl 2022

Ein Jahr vor den Wahlen gilt Gustavo Petro als klarer Favorit. Regierungspartei kommt in Prognosen nur auf zwölf Prozent. Offizielle Kandidaturen noch unklar

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Auffällig in der Umfrage ist der Rückgang des Uribismus in der Wählergunst
Auffällig in der Umfrage ist der Rückgang des Uribismus in der Wählergunst

Bogotá. Der linke Senator der Bewegung "Menschliches Kolumbien" (Colombia Humana, CH), Gustavo Petro, ist momentan der aussichtreichste Anwärter auf die Präsidentschaft 2022. Bei der aktuellen Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Invamer kommt der progressive Politiker auf 38,3 Prozent der Stimmen. Damit liegt er deutlich vor dem zweitstärksten potentiellen Kandidaten, Sergio Fajardo. Diesem würden 15,9 Prozent der Wähler:innen ihre Stimmen geben. Fajardo vertritt die "Koalition der Hoffnung", die von den Grünen angetrieben wird.

Auffällig in der Umfrage ist der Rückgang des Uribismus in der Wähler:innengunst. Marta Lucía Ramírez, aktuelle Vizepräsidentin und Mitglied der rechten Partei "Demokratisches Zentrum" (Centro Democrático, CD), taucht in der Invamer-Umfrage mit 11,8 Prozent an dritter Stelle auf. Der Sohn des einflussreichen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe (2002-2010), Tomás Uribe, würde seinerseits 4,6 Prozent der Stimmen bekommen. Außerdem zeigt die Umfrage, dass die Ablehnung gegen Präsident Iván Duque auf 63,2 Prozent gestiegen ist.

Eine weitere Erkenntnis aus der Meinungserhebung ist, dass Petro bei einer möglichen Stichwahl gegen Fajardo mit 52,8 Prozent der Stimmen gewinnen würde. Dabei würden 42,3 Prozent der Wähler:innen für Fajardo stimmen. Dieses Verhältnis ist neu. Frühere Umfragen besagten, dass Fajardo bei einem zweiten Wahlgang Petro besiegen würde, auch wenn Petro in einem ersten Wahlgang vor Fajardo liegen würde.

Petro und Fajardo sind zentrale Figuren der antiuribistischen politischen Szene, die gerade dabei ist, sich für die Wahlen im nächsten Jahr zu sortieren. Petros CH hat zu einem "Historischen Pakt" aufgerufen. Erstens strebt der Pakt an, eine politische Agenda gemeinsam mit sozialen Bewegungen und progressiven Kräften aufzubauen. Zweitens möchte er bei den Kongresswahlen 2022 55 Abgeordnete in das Repräsentantenhaus und 86 in den Senat bringen. Drittens soll eine interne Wahl eine Person für die Präsidentschaftskandidatur definieren.

Neben Petro haben sich bislang zwei Kandidaten zur internen Wahl des Historischen Pakts gestellt: Der Senator und Ex-Mitglied der "U-Partei", Roy Barreras, und der Vorsitzende der linken Partei "Demokratischer Pol" (Polo Democrático, PD), Alexander López. Petro ist somit nicht offiziell der Kandidat des linken Bündnisses, aber trotzdem Favorit.

Die PD, die Patriotische Union (Unión Patriótica, UP), die Kommunistische Partei Kolumbiens und die Partei der Ex-Farc-Guerilla, Comunes, haben sich dem Historischen Pakt angeschlossen. Ebenso erhält er Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem "Kongress der Völker" (Congreso de los Pueblos), dem "Patriotischen Marsch", der Erdölgewerkschaft USO sowie Arbeiter:innenorganisationen des Finanzsektors und des Bildungswesens. Auch der Verband der ehemaligen Angehörigen des Militärs, "Veteranen für Kolumbien", unterstützt den Pakt.

Bei der Koalition der Hoffnung steht ebenfalls offen, wer offiziell für die Präsidentschaftskandidatur designiert wird. Fajardo hat die größten Chancen, wird aber in einer internen Wahl gegen Politiker:innen der Grünen und anderer Parteien antreten müssen. Wer diese gewinnt, kandidiert offiziell für die Präsidentschaft im Namen der Koalition. Unter den anderen Präsidentschaftsanwärter:innen des Bündnisses sind Ángela María Robledo, die an Petros Seite für die Vizepräsidentschaft im Jahr 2018 kandidiert hatte, sowie der Ex-Chef der Friedensdelegation, Humberto de la Calle.

Fajardo werfen Umweltaktivist:innen vor, für die gravierenden Auswirkungen des Wasserkraftprojekts Hidroituango während seines Amtes als Gouverneur des Departamento Antioquia mitverantwortlich zu sein. Kritiker:innen des 65-Jährigen sehen ihn außerdem als Teil des Establishments und beschuldigen ihn, Wirtschaftsinteressen wie die der Unternehmergruppen von Antioquia (GEA) zu repräsentieren. Fajardo stand bereits 2018 zur Wahl und belegte den dritten Platz. Damals schaffte es Petro, in die Stichwahl zu kommen und acht Millionen Stimmen zu erhalten. Diese entschied Iván Duque mit 10,3 Millionen Stimmen für sich.

Im Gegensatz zu Fajardo wird Petro von keinen Großunternehmern mitfinanziert. Zu Petros politischem Programm gehören die Rückkehr des Renten- und Gesundheitssystems in die öffentliche Hand, die Stärkung von Frauen- und LGTBI-Rechten, der kostenlose Zugang zur Hochschulausbildung für alle, die Überwindung des Extraktivismus, der Ausbau des produktiven Sektors, die Förderung von Kooperativen und Kleinunternehmern sowie der Umstieg auf erneuerbare Energien.