Bolivien / Politik

Stichwahlen in Bolivien entscheiden über Hegemonie der MAS

Autonomieforderungen wichtiges Wahlkampfthema in einigen Departamentos. Linke MAS mit ihrem Kampagnenchef Morales unter Druck

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Abschlussveranstaltung des Wahlkampfs der MAS mit Kampagnenchef Evo Morales (rechts)
Abschlussveranstaltung des Wahlkampfs der MAS mit Kampagnenchef Evo Morales (rechts)

La Paz et al. Am morgigen Sonntag sind die Wähler in den Departamentos La Paz, Chuquisaca, Pando und Tarija in den Stichwahlen erneut dazu aufgerufen, ihre Stimme zum Gouverneur:innenamt abzugeben. Dort konnte bei den Regionalwahlen am 7. März keine:r der Kandidat:innen die notwendige Mehrheit erreichen. Die Wahlen sind für das politische Machtgleichgewicht in Bolivien wichtig, da die Zentralregierung bei der Umsetzung politischer Entscheidungen auf die Unterstützung der Gouverneur:innen angewiesen ist. Der regierenden Bewegung zum Sozialismus (MAS) werden gute Chancen ausgerechnet, in drei von vier Departamentos zu gewinnen.

In La Paz tritt der MAS-Kandidat Franklin Flores als Favorit gegen den Sohn des verstorbenen Aymara-Aktivisten Felipe Quispe (El Mallku) an. Santos Quispe kandidiert für die linke indigene Bewegung Jallalla, die laut dem Politologen Marcelo Arequipa aus MAS-Dissident:innen besteht. Sie sei keineswegs der Anti-MAS-Fraktion zuzurechnen, sondern gehöre "dem sehr heterogenen national-popularen Block an, der verschiedene soziale Sektoren vereint". Jallalla hatte von sich Reden gemacht, weil sie mit der ehemaligen MAS-Senatorin Eva Copa nun die Bürgermeisterin von El Alto stellt.

In Tarija, wo in der Vergangenheit neben Santa Cruz die Autonomiebewegung besonders stark war, deutet alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten der MAS und "Vereint für Tarija" hin. Beide hatten in der ersten Runde knapp über 38 Prozent der Stimmen erhalten. Präsident Luis Arce unterstützte seinen Parteifreund zum Abschluss der Wahlkampagne mit den Worten, dass "Tarija keine weiteren fünf Jahre der Krise ertrage". Der Oppositionskandidat Óscar Montes fordert, die "Autonomie zu erweitern" und "vereint für die Verteidigung von Tariquía" zu kämpfen.

Auch im Pando wird mit einem knappen Ausgang gerechnet. Die Wähler:innen entscheiden zwischen der MAS und der linken "Bewegung Drittes System" (Movimiento Tercer Sistema, MTS), die überraschend den neuen Gouverneur im Beni stellt. Eindeutiger sieht es hingegen in Chuquisaca aus. Hier führt der Bauernführer Damián Condori von "Chuquisaca sind wir alle" (Chuquisaca Somos Todos, CST) nach der ersten Runde. Er hatte 2015 seinen Bruch mit der MAS erklärt und geht seitdem auf Konfrontationskurs zu seinen ehemaligen Parteifreund:innen.

In fünf Departamentos stehen die Gouverneur:innen bereits fest. In Oruro, Potosí und Cochabamba regiert die MAS. Im bevölkerungsarmen Tieflanddepartamento Beni setzte sich der Zahnarzt Alejandro Unzueta von der MTS durch, der seine Zusammenarbeit mit der Zentralregierung angekündigt hat. Lediglich in Santa Cruz hat sich mit Luis Fernando Camacho von "Wir glauben" (Creemos) die Fundamentalopposition durchgesetzt. Beni und Santa Cruz gelten als Departamentos mit hohem Mobilisierungspotential gegen die Zentralregierung, das vor allem von den Bürger:innenkomitees ausgeht. Diese hatten zuletzt gegen die Untersuchungshaft der ehemaligen De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez zu massiven Protesten aufgerufen.

Unabhängig davon wie die Stichwahlen ausgehen werden, wurde zuletzt deutlich, dass sich die Opposition bei einem Sieg des MAS-Gegners in Tarija mit Santa Cruz erneut um das Thema weitreichender Autonomieforderungen formieren könnte. In beiden Regionen befinden sich die größten Rohstoffreserven Boliviens. Die Opposition fordert einen neuen Fiskalpakt, damit ein größerer Gewinnanteil in den Förderregionen verbleibt. In La Paz und Pando hingegen ist bei einer Niederlage der MAS eher eine enge Zusammenarbeit mit den linken Parteien zu erwarten.

Die MAS gilt als Verliererin der Regionalwahlen vom 7. März. Im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr verlor sie um die 20 Prozent der Stimmen. Ihr Kampagnenchef Ex-Präsident Evo Morales hat sein Ziel verfehlt, in acht von neun Departamentos den Gouverneur:innenposten zu erringen. Außerdem gingen die Stadtverwaltungen wichtiger Großstädte wie Santa Cruz, El Alto oder Cochabamba an andere Parteien. Daraufhin rumorte es innerhalb der Partei und Rücktrittsforderungen von Parteiführer:innen wurden laut.

Nichtsdestotrotz gewann die MAS über 70 Prozent der Bürgermeister:innenämter und regiert damit weiterhin flächendeckend im Land. Lediglich im Departamento Santa Cruz stellt die MAS nur die Hälfte der neu gewählten Bürgermeister:innen. Anstatt von einer erstarkten Opposition zur MAS zu sprechen, hat sich das Parteienspektrum eher aufgefächert und die MAS hat "das Monopol der Linken schlechthin verloren", so der Soziologe Franco Gamboa.