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"Vacunagate"-Skandal in Peru: Ermittlungen gegen Ex-Präsidenten

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Mögliche politische Konsequenzen des Vacunagate-Skandals: Ex-Präsident Vizcarra droht der Ausschluss von den Wahlen
Mögliche politische Konsequenzen des Vacunagate-Skandals: Ex-Präsident Vizcarra droht der Ausschluss von den Wahlen

Lima. Die Aufdeckung des Impfstoff-Skandals "Vacunagate" sorgt für große Unruhe in der peruanischen Gesellschaft, die am 11. April 2021 einen neuen Präsidenten und das Parlament für die nächsten fünf Jahre wählen wird. Die Ständige Kommission des peruanischen Kongresses hat nun 15 Tage Zeit gewährt, um gegen das ehemalige Staatsoberhaupt, Martín Vizcarra, wegen des Falls zu ermitteln.

Anfang Februar war bekannt geworden, dass Vizcarra die beiden Dosen des damals noch nicht zugelassenen Sinopharm-Impfstoffes bereits im September 2020 erhalten hatte (amerika21 berichtete). Seine Frau Maribel Diaz sowie sein Bruder Cesar Vizcarra wurden ebenfalls mit dem Vakzin geimpft, das im Rahmen klinischer Versuchsstudien des chinesischen Labors im Land getestet werden sollte. Nach Angaben der Sonderkommission, die den Impfskandal untersucht, wurden mindestens 470 Menschen – darunter Politiker, Unternehmer sowie Familienmitglieder – irregulär gegen Covid-19 immunisiert. Derzeit wird gegen 101 Beamte und ihre Angehörigen ermittelt, die den Impfstoff unrechtmäßig erhalten haben.

Bisher ist bekannt, dass die Firma Sinopharm vor Unterzeichnung des Vertrages über die Lieferung der Impfstoffe großzügige Spenden an verschiedene peruanische Institutionen getätigt hatte: Genau 860.000 Dollar waren es, die der chinesische Staatskonzern von Ende August 2020 bis Januar 2021 an das Gesundheitsministerium sowie die Universität Cayetano Heredia spendete, wie das Nachrichtenportal Salud con Lupa berichtet. Es wird spekuliert, ob diese Schenkungen dazu beitrugen, Sinopharm zunächst zum exklusiven Lieferanten von Impfstoffen für das Land zu machen.

Verantwortlich für die Genehmigung der Spenden war die damalige Exekutivdirektorin für pharmazeutische Produkte der Generaldirektion für Medikamente (Digemid), Sofía Salas Pumacayo, gewesen, die einen Tag nach Bekanntwerden der Liste der in den Skandal verwickelten Personen zurücktrat. Ihr Name steht ebenfalls auf der Liste der 470 Personen, die dank der zusätzlichen 3.200 Dosen, die Sinopharm im Zuge der Studie in das Andenland geschickt hatte, geimpft wurden.

Derzeit hat sich eine Sonderkommission des Kongresses des Landes darauf geeinigt, die Ermittlungen bezüglich der gegen den ehemaligen Präsidenten Martin Vizcarra erhobenen Vorwürfe im Fall Vacunagate zu priorisieren. Es handelt sich um die Verfassungsbeschwerden 422 und 424, die von der Kongressabgeordneten Maria Teresa Cabrera gegen den ehemaligen Präsidenten Vizcarra eingereicht wurden, weil er angeblich die Verbrechen der kriminellen Vereinigung, der Erpressung, der betrügerischen Unterschlagung, der Veruntreuung, der passiven Bestechung, der Einflussnahme und der Fälschung von Dokumenten begangen haben soll.

Kongresspräsidentin Mirtha Vasquez sagte, wenn im Plenum der Bericht genehmigt werde, der für Martín Vizcarra einen Ausschluss von zukünftigen öffentlichen Ämtern vorsieht, dann hieße das auch, dass er bei den kommenden Wahlen nicht als Abgeordneter in den Kongress einziehen könne. Das ehemalige Staatsoberhaupt tritt auf der Liste der christdemokratischen Somos Perú-Partei (Wir sind Peru) an.

Der Vacunagate-Skandal hat große Empörung in der Bevölkerung ausgelöst, die ihre Ablehnung über soziale Netzwerke zum Ausdruck brachte. Infolgedessen haben mehrere Kandidaten für die Präsidentschaft zeitgleich eine neue Strategie des politischen Diskurses am Vorabend der allgemeinen Wahlen am 11. April angepasst.

Eine neue Frage hat in den letzten Tagen den Wahlkampf weiter angeheizt und polarisiert: ob der private Sektor COVID-19-Impfstoffe importieren sollte, um eigene Angestellte immunisieren zu können. Sieben der neun Präsidentschaftskandidaten mit der größten Medienpräsenz sind für eine frühe Privatisierung von Impfstoffen, darunter die rechten Spitzenkandidaten Yohny Lescano, George Forsyth, Keiko Fujimori und Rafaél Lopez Aliaga. Nur die linke Veronika Mendoza und der liberale Julio Guzmán sind strikt dagegen und warnen, dass durch die Privatisierung von Impfstoffen ein Schwarzmarkt entstehen könnte.

Bislang können Kaufverträge mit den Impfstoffproduzenten nur durch die Regierung abgeschlossen werden – dies bestätigte auch der amtierende Präsident Francisco Sagasti. Dennoch werfen rechte Politiker und Medien dem ehemaligen Weltbankfunktionär vor, er würde mit dieser Haltung an einer "marxistischen und terroristischen Ideologie" festhalten.