Kolumbien: Weitaus mehr "falsos positivos" als bislang offiziell anerkannt

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Hauptsitz der Sonderjustiz für den Frieden in Bogotá
Hauptsitz der Sonderjustiz für den Frieden in Bogotá

Bogotá. 6.402 "falsos positivos" zählt die Sonderjustiz für den Frieden (JEP) in einer neuen Untersuchung der außergerichtlichen Hinrichtungen in den Jahren 2002 bis 2008 – weit mehr als von staatlichen Behörden bislang zugegeben. Bei den "falsos positivos" handelt es sich um Zivilpersonen, die vom Militär getötet und als im Kampf gefallene Guerilla-Kämpfer präsentiert wurden.

Die Staatsanwaltschaft hatte bisher nur 2.248 dieser Hinrichtungen bestätigt gehabt. Die Zahl, die nun von der JEP veröffentlicht wurde, übersteigt diese Angabe fast um das Dreifache.

Die Sonderjustiz hat unter anderem die Berichte der Staatsanwaltschaft, des Nationalen Zentrums für historische Erinnerung, der Koordination Kolumbien-Europa-USA sowie von Opferverbänden zu diesen Verbrechen überprüft. Nach der Gegenüberstellung der Informationen kommt sie zu dem Schluss, dass im Land mindestens 6.402 Zivilpersonen durch Soldaten der Armee getötet wurden. Besonders stark betroffen waren demnach die Regionen Antioquia, Norte de Santander, Huila, Casanare, Meta und Karibikküste, weshalb diese Fälle von der JEP zunächst priorisiert wurden. In einer zweiten Untersuchungsphase sollen auch jene in Arauca, Boyacá, Caquetá, Guainía, Guaviare, Sucre und Putumayo untersucht werden.

Die Zahl der "falsos positivos" war während der beiden Amtszeiten von Ex-Präsident Álvaro Uribe (2002-2010) und der Umsetzung seiner Politik der "demokratischen Sicherheit" deutlich angestiegen. Die rechte Regierung vergab damals "Erfolgsprämien" an die an den Mordkommandos beteiligten Soldaten für ihre vermeintlichen Erfolge, wenn diese Ergebnisse im Kampf gegen die Guerilla vorweisen konnten.

Die Untersuchung der JEP zeigt, dass 78 Prozent der außergerichtlichen Hinrichtungen des gesamten Konflikts allein zwischen 2002 und 2008 begangen wurden. Erst 2009 gab es mit 122 Tötungen einen starken Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (792). Uribe wird deshalb vom linken Oppositionsführer Gustavo Petro zum Hauptverantwortlichen dieser Taten erklärt.

Die Sonderjustiz bemüht sich seit dem Abschluss des Friedensabkommens zwischen Farc-Guerilla und Regierung um die Aufarbeitung der Verbrechen des jahrzehntelangen bewaffneten Konfliktes. Sie wird von der aktuellen Regierung von Iván Duque häufig angegriffen, Opposition, Opferverbände und internationale Organisationen loben jedoch ihre bisherige Arbeit. Im Januar hatte sie in einem anderen Fall gegen führende Kommandeure der ehemaligen Farc-EP Anklage wegen verschiedener Kriegsverbrechen erhoben.