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UN-Sonderberichterstatterin hält USA und EU Folgen ihrer Sanktionen in Venezuela vor

Forderung: Zwangsmaßnahmen aufheben, damit Venezuela seine Entwicklungsprogramme wiederaufnehmen kann

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Übt scharfe Kritik an Sanktionen: UN-Sonderberichterstatterin Alena Douhan bei ihrer Pressekonferenz in Caracas am 12. Februar
Übt scharfe Kritik an Sanktionen: UN-Sonderberichterstatterin Alena Douhan bei ihrer Pressekonferenz in Caracas am 12. Februar

Caracas. Ein Bericht der Vereinten Nationen (UN) zur Menschenrechtssituation in Venezuela hat ausgeführt, dass die Sanktionen der USA und der Europäischen Union (EU) gegen das Land verheerende Auswirkungen auf die Ernährung, das Gesundheitswesen und die Bildung im Land haben.

Alena Douhan, die UN-Sonderberichterstatterin zu den negativen Auswirkungen der einseitigen Zwangsmaßnahmen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte, hat zum Abschluss ihres fast zweiwöchigen Besuchs in dem südamerikanischen Land eine erste Zusammenfassung ihrer Untersuchungen auf einer Pressekonferenz vorgestellt.

Für ihre Untersuchung hatte sie nach eigenen Angaben unter anderem mit Vertretern der Regierung, der Verwaltung, der Opposition, Gewerkschaftern, Mitgliedern der katholischen Kirche, Menschenrechtsinitiativen und Interessenvertretern der Privatwirtschaft Gespräche geführt. Außerdem, wie das staatliche Fernsehen VTV berichtet, mit venezolanischen Nichtregierungsakteuren, die in den Bereichen Gesundheit, Menschenrechte, Kinderschutz, Frauen und ältere Menschen arbeiten; mit medizinischem Personal, Universitätsprofessoren, Schullehrern und unabhängigen Forscher und mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen. Ihr Besuch habe sie in mehere Bundesstaaten Venezuelas geführt.

Ihr 17-seitiger Report soll im September dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegt werden. Douhan ermutigte alle Betroffenen, bis dahin weiteres Material einzureichen.

"Die Lebensqualität der Venezolaner hat sich aufgrund der einseitigen Zwangsmaßnahmen verringert", bewertete die UN-Vertreterin die Auswirkungen der von den USA gegen das Land verhängten Blockade.

Der in seinen Einzelheiten erschütternde Bericht dokumentiert auch die Anteile der EU, Kanadas, Großbritanniens, der Schweiz, Kolumbiens und anderer internationaler Akteure an den Sanktionen.

Ferner zeichnet er die Entwicklung der Sanktionspolitik nach, die bereits 2005 begann und mit wechselnden Begründungen 2015 einen Sprung machte, nachdem die Regierung unter Barack Obama Venezuela zur "nationalen Bedrohung der USA" erklärte.

2017 gingen die USA dazu über, venezolanische Wahlen nicht mehr anzuerkennen und die Wirtschafts- und Finanzsanktionen mit dem von ihnen geforderten Abtritt der Regierung von Präsident Nicolás Maduro zu verknüpfen. Die Rolle der EU und weiterer US-Verbündeter in der Sanktionspolitik vergrößerte sich seither.

Unter Einbeziehung interner struktureller Ursachen, wie die politische Spaltung im Land und der Ölpreisverfall seit 2014, schätzt der Bericht, dass die Staatseinnahmen nur noch ein Prozent des Niveaus von vor der Krise betragen.

"Es ist besorgniserregend, dass die Sanktionen gegen Öl und Bergbau, die Wirtschaftsblockade gegen Venezuela und das Einfrieren des Vermögens der BCV [Zentralbank] die bestehende wirtschaftliche und humanitäre Misere verschlimmert haben, indem sie die Generierung von Einkommen und die Verwendung von Ressourcen zur Entwicklung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur und der Sozialprogramme verhindern", so der Bericht, der betont, dass zuvor 76 Prozent der staatlichen Einnahmen für Sozialprogramme aufgewendet worden seien.

Erinnert wird auch an die venezolanischen Vermögenswerte in Milliardenhöhe im Ausland, die durch die USA, Großbritannien und Portugal blockiert werden. Venezuela ist gleichzeitig der Zugang zu internationalen Finanzierungsquellen verwehrt.

Die Folge ist eine starke Verringerung des Imports in den Bereichen Maschinen, Ersatzteile, Lebensmittel und medizinischer Bedarf.

Die Berichterstatterin stellte fest, dass die Beschränkung des Zugangs zu Ersatzteilen für die Wiederherstellung des Betriebs von Maschinen, die mit der Wasser- und Stromversorgung verbunden sind, negative Auswirkungen auf die Überlebensmöglichkeiten der Bevölkerung hat.

Im medizinischen Bereich führt der Bericht das Beispiel des Krankenhauses für Kinderkardiologie in Caracas an. Hier gebe es einen 5-fachen Rückgang bei Operationen (von durchschnittlich 1.000 Eingriffen pro Jahr im Zeitraum 2010 bis 2014 auf 162 im Jahr 2020). Die Stellen für medizinisches Personal in öffentlichen Krankenhäusern seien zu 50 bis 70 Prozent unbesetzt. Nur etwa 20 Prozent der medizinischen Geräte seien derzeit einsatzbereit.

Der Bericht verweist ferner auf die Einschränkungen, die die Sanktionen für die Eindämmung der Corona-Pandemie bedeuten.

Die Behinderung von Nahrungsmittelimporten habe in den letzten sechs Jahren zu einem stetigen Anstieg von Unterernährung geführt, mehr als 2,5 Millionen Menschen lebten in einer Situation, in der die Ernährung unsicher ist, so die Ergebnisse der Untersuchung.

Die UN-Sonderberichterstatterin beurteilt auch die rechtliche Grundlage der Sanktionen. So habe bereits das Verdikt der Obama-Regierung, Venezuela zur "Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA" zu erklären, internationales Recht verletzt. Die Beschlagnahmung venezolanischen Vermögens im Ausland verletze die Souveränität des südamerikanischen Landes und behinderte die Sicherstellung des Grundbedarfs seiner Bevölkerung.

Sekundäre Sanktionen gegen internationale wirtschaftliche Akteure und Teile der venezolanischen Opposition, die mit der Regierung Maduro in Dialog getreten sind, seien nicht mit Prinzipien des internationalen Rechts wie dem freien Handel, der Bewegungs- und der Meinungsfreiheit vereinbar.

In ihren Empfehlungen erinnert die UN-Sonderberichterstatterin "alle Parteien an ihre Verpflichtung gemäß der Charta der Vereinten Nationen, die Grundsätze und Normen des Völkerrechts zu beachten, einschließlich der Grundsätze der gleichen Souveränität, der politischen Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und der friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten". Sie fordert dringend auf, Streitigkeiten durch gerichtliche und andere zuständige internationale Institutionen zu lösen.

Alle beteiligten Staaten sollten in Hinsicht auf das internationale und humanitäre Recht ihre "Sanktionen revidieren und aufheben". Die USA, Großbritannien und Portugal sollten beschlagnahmte Vermögenswerte an den venezolanischen Staat zurückgeben.

Douhan regte zudem die Ausarbeitung eines Abkommens zwischen der venezolanischen Regierung und UN-Organen an, das eine transparente, faire und diskriminierungsfreie Verteilung von lebensnotwendigen Gütern und humanitärer Hilfe unter der Kontrolle internationaler Institutionen sicherstellt. Sie forderte die Regierung Venezuelas auf, Regelungen auszuarbeiten, um die humanitäre Arbeit internationaler und nationaler NGOs zu erleichtern. Gleichzeitig verwies sie auf die Verpflichtung der NGOs, die Standards einer rein humanitären Tätigkeit einzuhalten.