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US-Rechnungshof bestätigt fatale Folgen der Sanktionen für Venezuelas Wirtschaft

Auch US-gesponserte "humanitäre Hilfe" betroffen. Kongressabgeordnete in USA fordern Biden auf, Zwangsmaßnahmen zu überprüfen

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Das GAO ist  dem US-Kongress unterstellt und ähnelt in seinen Aufgaben dem deutschen Bundesrechnungshof
Das GAO ist dem US-Kongress unterstellt und ähnelt in seinen Aufgaben dem deutschen Bundesrechnungshof

Washington. Ein Bericht des US-amerikanischen Rechnungshofs (Government Accountability Office, GAO) kommt zu dem Schluss, dass die Sanktionen der USA gegen Venezuela die Wirtschaftskrise des Landes verschlimmern. Zudem erschwerten sie "humanitäre Hilfsaktionen von US-Partnerorganisationen".

Unterdessen mehren sich in den USA kritische Stimmen gegen die Sanktionspolitik: Mehrere Kongress-Abgeordnete und gesellschaftlichen Organisationen haben Präsident Joe Biden aufgefordert, angesichts der Corona-Pandemie einseitige Strafmaßnahmen zu überdenken.

Der am 8. Februar veröffentichte GAO-Bericht war auf Ersuchen der Abgeordneten der demokratischen Partei, Eliot Engel und Andy Levin, erstellt worden.

Die venezolanische Wirtschaft sei zwar bereits seit fast einem Jahrzehnt "stetig" geschrumpft, aber seit dem Beginn der Strafmaßnahmen Washingtons ab dem Jahr 2015 "drastisch" zurückgefallen. Vor allem die Sanktionen gegen die staatliche Ölgesellschaft PDVSA seit Januar 2019 "trugen sehr wahrscheinlich zum steilen Niedergang der venezolanischen Wirtschaft bei, vor allem durch die Begrenzung der Einnahmen aus der Ölproduktion", schlussfolgern die Autoren.

Die USA verhängten 2015 erstmals Strafmaßnahmen gegen Venezuela unter Präsident Barack Obama, der das Land zu einer "außergewöhnlichen Bedrohung" für die nationale Sicherheit der USA erklärte. Unter der Administration von Donald Trump (2017-2021) wurden sie erweitert und verschärft und umfassen das Abschneiden Venezuelas von den internationalen Finanzmärkten, das Verbot der Refinanzierung seiner Schulden und der Rückführung von Vermögenswerten aus dem Ausland sowie ein Embargo gegen PDVSA.

Die Sanktionen erschwerten auch die Arbeit von US-Partnerorganisationen bei der Lieferung und Verwaltung humanitärer Hilfe, obwohl die Regierung wiederholt behauptet habe, dass die Maßnahmen keine Lebensmittel- und Medikamentenimporte behindern oder "unschuldige Venezolaner ins Visier nehmen" würden, heißt es in dem 56-seitigen Dokument.

Alle neun Partner der Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) bei der Durchführung humanitärer Hiflsaktionen, mit denen GAO-Vertreter sprachen, hätten von Fällen berichtet, "in denen Banken ihre Konten geschlossen oder Transaktionen aufgrund von Bedenken wegen der Sanktionen verzögert oder abgelehnt haben", heißt es in dem Dokument.

Die Autoren merkten an, dass "Bankschwierigkeiten wie diese die Partner daran hindern können, auf die Gelder zuzugreifen und sie weiterzuleiten, die sie in Venezuela für die Umsetzung von Programmen und die Durchführung operativer Aktivitäten, wie die Bezahlung von Personal und den Import von Vorräten, benötigen".

Die Partnerorganisationen hätten zudem berichtet, die Sanktionen verschärften auch "indirekt" die Treibstoffknappheit im Land, was zu vermehrten Stromausfällen und Transportproblemen führt.

Zu dem Bericht des Rechnungshofes erklärte Mark Weisbrot vom Zentrum für Wirtschafts- und Politikstudien (CEPR), das die Folgen der Zwangsmaßnahmen seit Jahren analysiert: "Dieser Bericht des GAO liefert weitere Beweise dafür, dass diese einseitigen, illegalen US-Sanktionen eine Form der kollektiven Bestrafung der venezolanischen Bevölkerung sind und sofort beendet werden müssen. Es gibt keinen Grund, dieses Verbrechen der Trump-Administration weiter zuzulassen."

Venezuelas Regierung hatte die Sanktionen wiederholt als Verbrechen gegen die Menschheit angeprangert und beim Strafgerichtshof in Den Haag eine entsprechende Anzeige eingereicht. Multilaterale Organsationen, einschließlich der Vereinten Nationen, haben die US-Sanktionspolitik ebenfalls scharf kritisiert.

Wenige Tage nach dem GAO-Bericht haben 26 Kongress-Abgeordnete und drei Staatssekretäre der Demokratischen Partei einen Brief an Präsident Biden gerichtet, in dem sie ihn nachdrücklich auffordern, Strafmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie zu lockern. Unterstützt wird die Aktion von der Alliance for Cuba Engagement and Respect, American Friends Service Committee, CEPR, Demand Progress, Just Foreign Policy, Mennonite Central Committee, NIAC, Peace Action, und Win Without War.

"Viel zu oft und viel zu lange wurden Sanktionen als reflexartige Reaktion verhängt, ohne eine angemessene und überlegte Bewertung ihrer Auswirkungen", heißt es in dem Schreiben, das von den Abgeordneten im Repräsentantenhaus Ilhan Omar und Jesus "Chuy” García und von Senatorin Elizabeth Warren initiiert wurde.

Der Text, der kein Land namentlich nennt, hebt weiter hervor, wie Sanktionen ‒ neben anderen Folgen ‒ "nachweislich die Zivilbevölkerungen geschädigt haben", ohne dass "ein Netto-Nutzen für die nationale Interessen und Sicherheit" der USA zu belegen sei.

Biden hatte nach seinem Amtsantritt in einer "Nationalen Sicherheitsdirektive" angeordnet, im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Sanktionserleichterungen zu prüfen. Die Unterzeichner des Briefes unterstützen dies und betonen, dutzende Kongressabgeordnete hätten gegenüber der Regierung Trump wiederholt "ihre große Besorgnis über die Art und Weise geäußert, wie die US-Sanktionen eine globale Antwort auf die Gesundheitskrise und die Wirtschaftskrise, die durch die Covid-19-Pandemie ausgelöst wurde, behinderten". Es sei zu hoffen, "dass diese Überprüfung auf die Bereitschaft Ihrer Regierung hindeutet, die humanitären Auswirkungen von Sanktionen im weiteren Sinne zu berücksichtigen."