Präsident von Kolumbien und israelischer Agent in Vernichtung der Unión Patriótica verwickelt

Mossad-Mann beriet Ex-Präsident Virgilio Barco: Beste Methode gegen die Farc-Guerilla sei die "Eliminierung der UP-Mitglieder"

union-patriotica10-01-2021.jpg

Die Justiz hat die Morde an UP-Mitgliedern als "politischen Genozid" eingestuft
Die Justiz hat die Morde an UP-Mitgliedern als "politischen Genozid" eingestuft

Bogotá. Der Journalist Alberto Donadio hat Schlüsselinformationen über die Ermordung und das Verschwindenlassen von circa 4.000  Angehörigen der Linkspartei Unión Patriótica (UP) in Kolumbien zwischen 1984 und 2002 enthüllt.

Bislang hatte der Staat lediglich "unterlassene Hilfeleistung" bei der Beseitigungskampagne gegen die Partei eingeräumt. Der Enthüllung Donadios nach war aber die staatliche Rolle eindeutig aktiver: Ex-Präsident Virgilio Barco (1986-1990) soll sie persönlich eingefädelt haben. Barco sei damit dem Rat von Rafi Eitan, einem hochrangigen Agenten des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, gefolgt.

Kurz nach seinem Amtsantritt habe Barco Eitan, den Leiter der Mossad-Operation zur Festnahme von Adolf Eichmann in Argentinien, zur Beratung nach Kolumbien geholt. Konkret wollte der 65-jährige Präsident von ihm Ratschläge für die beste Methode zur Bekämpfung der Farc-Guerilla. Die Diagnose des israelischen Sicherheitsexperten lautete: Die Eliminierung der UP-Mitglieder.

Die linke Partei war 1985 im Rahmen des Friedensdialogs zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens – Volksarmee (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo, Farc-EP) und Barcos' Vorgänger, dem Präsidenten Belisario Betancourt, als breite oppositionelle politische Plattform gegründet worden. Sie gewann relativ schnell große Zustimmung in der Wählerschaft und war bei den lokalen und parlamentarischen Wahlen 1986 sehr erfolgreich.

Zwei Präsidentschaftskandidaten, acht Kongressmitglieder, 13 Abgeordnete, 70 Gemeinderät:innen, elf Bürgermeister:innen und Tausende Mitglieder und Sympathisant:innen der UP wurden getötet, andere sahen sich gezwungen, das Land zu verlassen. Im Jahr 2012 hat die kolumbianische Justiz dies als "politischen Genozid" eingestuft (amerika21 berichtete).

Barco soll veranlasst haben, dass Eitans Beratungsdienste von der staatlichen Ölfirma Ecopetrol bezahlt wurden. Ecopetrol werde oft von den Regierungen als staatliche Portokasse für Ausgaben benutzt, die in den Büchern des Präsidenten-Büros nicht auftauchen sollten. Dies sagte ein Ex-Regierungsfunktionär zu Donadio.

Für die Durchführung der Vernichtungskampagne gegen die UP bot Eitan seine Dienste an. Ein hochrangiger Militäroffizier soll sich "vehement" gegen das Angebot des Israelis ausgesprochen haben, so der Journalist Donadio. Der Militär habe sogar mit seinem Rücktritt gedroht, sollte Barco Eitan die Mission anvertrauen. Der Militär forderte den Präsidenten dazu auf, allein die kolumbianischen Sicherheitskräfte mit dieser Operation zu beauftragen. Dieser akzeptierte.

Der Regierungschef hat keine Spuren der Kommunikation zwischen den Eingeweihten hinterlassen. Alles verlief mündlich. Die Informationen hat Donadio von einer Quelle, die damals der Regierung angehörte und bei dem Diskussionsprozess über die Vernichtung der UP zugegen war. Der Journalist sagte, er würde die Identität seiner Quelle nie preisgeben.

Dass Eitan Ende der 1980er Jahre in Kolumbien war und Kontakt zu Barco hatte, wurde von Ernesto Villamizar bestätigt, einem angesehenen Juristen aus Bogotá. Auch die Washington Post erwähnte 1989 in einem Beitrag Eitan als Berater Barcos.

Hinzu kommt ein Vertragsentwurf mit einer israelischen Sicherheitsfirma, der auf Januar 1987 datiert ist. Das Dokument fand Donadio im Archiv des Sekretariats für juristische Angelegenheiten der Regierung Barco. Eitans Name kommt allerdings nicht darin vor.

Barco und Eitan sind in den Jahren 1997 beziehungsweise 2019 gestorben.

Auf die aktive Verwicklung der Sicherheitskräfte in den Vernichtungssprozess der UP hatte bereits 2011 der Friedensberater der Regierung Barco, Carlos Ossa Escobar, hingewiesen. Als Ossa damals dem Verteidigungsminister, General Rafael Samudio, alarmiert berichtete, dass "Killer jeden Tag ein Mitglied der UP ermorden", antwortete der General: "Bei diesem Tempo werden sie nie fertig."