Corona-Lage in Lateinamerika spitzt sich wieder extrem zu

Vielerorts keine Intensivbetten mehr verfügbar. Länder und Städte verhängen wieder Ausgangssperren. Impfbeginn und -lieferungen verlaufen sehr schleppend

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Während viele Krankenhäuser wieder an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, wird auf die Corona-Impfung in den meisten Ländern Lateinamerikas noch gewartet
Während viele Krankenhäuser wieder an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, wird auf die Corona-Impfung in den meisten Ländern Lateinamerikas noch gewartet

Buenos Aires et al. Die Zahl der Covid-19-Erkrankungen ist seit Dezember und mit Beginn des neuen Jahres in vielen lateinamerikanischen Ländern erneut in besorgniserregende Höhen gestiegen. Mehrere Länder vermelden, dass es in verschiedenen Städten praktisch keine Kapazitäten mehr an Intensivbetten gibt. Treibender Faktor für steigenden Infektionszahlen dürften neben den Feiertagen zum Jahreswechsel mit der Urlaubssaison auch die aufkommende Nachlässigkeit der Menschen sein. amerika21 gibt einen Überblick, wie der Stand in einigen Ländern momentan ist:

Argentinien war im vergangenen Jahr in der Region mit am stärksten betroffen, das Land war lange Zeit im Lockdown. Nachdem sich die Infektionenszahlen kurzzeitig auf einem niedrigeren Niveau etabliert hatten, stiegen sie zuletzt wieder an. In der heißen Sommerzeit über den Jahreswechsel fuhren viele Argentinier traditionell in den Urlaub, die privaten Treffen nahmen stark zu. Vor allem die Strände der Provinz Buenos Aires waren voll mit Urlaubern, allen voran junge Leute haben dort nach Medienberichten zu Zehntausenden gefeiert. Dies führte nun dazu, dass die Maßnahmen wieder verschärft werden. Am heutigen Freitag wird Präsident Alberto Fernández ein Dekret veröffentlichen, wonach sich nur noch zehn Personen treffen dürfen und bei Reisen in andere Provinzen ein PCR-Test gemacht werden muss. Außerdem darf ab heute im ganzen Land von 23 bis 6 Uhr niemand mehr das Haus verlassen. In den Provinzen Chaco, La Pampa sowie Santiago del Estero gilt bereits eine Ausgangssperre. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind dicht.

Erneut dramatische Züge nimmt die Lage in Ecuador an. Waren die Krankenhäuser bereits im vergangenen März und April an den Kapazitätsgrenzen, steht der Andenstaat erneut vor einem sanitären Kollaps. Momentan besonders stark betroffen ist die Hauptstadt Quito. Bürgermeister Jorge Yunda sprach von "einem Kampf gegen Sterbezahlen und gegen den Kollaps des Gesundheitssystems". Der große Effekt der Ansteckungen der Feiertage stehe dabei sogar noch aus. In Quito wie auch in Guayaquil und Tulcán sollen die Krankenhäuser vollkommen ausgelastet sein. In Santo Domingo, Ambato, Cuenca und Ibarra gibt es momentan gar keine freien Intensivbetten mehr. Landesweit soll die Auslastung bei über 95 Prozent liegen. Im Süden von Quito wurden Zelte aufgestellt, um mehr Menschen behandeln zu können. Die Regierung versucht momentan verzweifelt, an Impfstoff zu kommen. Das Verfassungsgericht kippte zudem eine verhängte Ausgangssperre (amerika21 berichtete).

Die Regierung von Peru vermeldet ähnliche Entwicklungen. Am Dienstag waren knapp 98 Prozent der Intensivbetten landesweit belegt. Zwar sind die absoluten Infektionszahlen zurzeit weit weniger hoch als während des Höchststands im August, die Lage ist aber gleichermaßen ernst. Präsident Francisco Sagsti kündigte "für diesen Monat" eine erste Lieferung des chinesischen Impfstoffs Sinopharm an, AstraZeneca hätte auch Lieferungen zugesagt, aber erst für September. Man arbeite für den aus Großbritannien stammenden Impfstoff an einem früherem Lieferdatum.

In Kolumbien gelten seit gestern und bis zum 12. Januar unterschiedlich strenge Ausgangssperren (von 22 bis 5 Uhr) für Städte, bei denen die Auslastung der zur Verfügung stehenden Intensivbetten mindestens 70 Prozent beträgt. Liegt sie bei über 85 Prozent, darf man sich gar nicht mehr draußen aufhalten. Besonders stark betroffen ist neben Cali und Medellín auch Bogotá. Für die Hauptstadt wurde gestern bis zum kommenden Dienstag sogar eine komplette Ausgangssperre ausgerufen, sie gilt seit Mitternacht. Am Dienstag hatte Kolumbien den sogenannten "Notfalleinsatz" des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs zugelassen. Die erste Lieferung wird allerdings erst für Februar erwartet.

Auch Bolivien hat in den letzten Wochen einen erneuten starken Anstieg der Infektionszahlen zu verzeichnen. Die Großstädte La Paz und Santa Cruz sind dabei am stärksten betroffen, der Höchststand wird in der Hauptstadt allerdings sogar erst für Februar erwartet. Jedoch sind bereits jetzt vielerorts die Kapazitätsgrenzen erreicht. Laut dem Direktor des Krankenhauses "Clínicas" in La Paz, Oscar Romero, sei der Zustand der behandelten Patienten gegenwärtig viel schlechter als vor einigen Monaten.

Lange Zeit verhältnismäßig verschont geblieben war Uruguay. Mittlerweile hat sich aber auch dort die Lage zugespitzt. Innerhalb von zwei Wochen im Dezember gab es so viele Corona-Tote wie zuvor im gesamten Zeitraum seit Ausbruch der Pandemie. Die Regierung verschärft seitdem die verhängten Maßnahmen und Restriktionen nach und nach. Noch mindestens bis 10. Januar bleiben etwa alle Grenzen geschlossen. Am Mittwochabend wollte Präsident Luis Lacalle Pou weitere Verschärfungen beraten.

Extrem angespannt bleibt die Lage in Mexiko. Dazu trug auch hier die verstärkte Reisetätigkeit zum Jahreswechsel bei. Damit dürfte die Zahl der Corona-Toten in einigen Wochen noch um einiges höher sein, auch wenn diese zu Beginn der Woche so hoch wie noch nie lag. In der Hauptstadt Mexiko-Stadt darf nur noch erledigt werden, was nicht aufzuschieben ist, viele weitere Regionen verhängten bereits Ausgangssperren. Trotzdem entschied die Regierung, die wirtschaftlichen Aktivitäten nicht herunterzufahren.

Die Corona-Pandemie könnte Lateinamerika auch noch etwas länger im Griff haben als beispielsweise europäische Länder. Bisher haben Impfungen nur in Argentinien (mit dem russischen Vakzin Sputnik V) sowie in Mexiko, Chile und Costa Rica (alle mit Pfizer/BioNTech) begonnen. Zwar haben einige Regierungen mittlerweile Impfstoffe bestellt, andere stecken aber noch immer in harten Verhandlungen. Es scheint ein weltweiter Wettlauf zwischen den Staaten stattzufinden, dem sich auch die lateinamerikanischen Länder beugen müssen. Immerhin lassen immer mehr Länder verschiedene Impfstoffe zu, wie Mexiko in diesen Tagen den von AstraZeneca.